Ulysses
muß die Trauerzeit um sein. Eigentlich kaum vorstellbar, daß der da auch mal beerdigt wird. Kommt einem fast wie ein Witz vor. Wenn man seine eigene Todesanzeige liest, heißt es, lebt man länger. Läßt einen nochmal zu Atem kommen. Neues Leben in die Lungen.
- Wieviel haben Sie denn für morgen? fragte der Friedhofsaufseher.
- Zwei, sagte Corny Kelleher. Halb elf und elf.
Der Friedhofsaufseher steckte die Papiere in die Tasche. Der Sargkarren hatte zu rollen aufgehört.
Die Leidtragenden teilten sich und nahmen zu beiden Seiten des Loches Aufstellung, mit Sorgfalt die Grabstellen umschreitend. Die Totengräber trugen den Sarg heran, schlangen die Seile darum und setzten ihn mit dem Kopfende auf den Rand.
Seine Beerdigung. Begraben wolln wir Caesarn. Seine Iden des März oder Juni. Er weiß nicht, wer hier jetzt steht, ist ihm auch egal.
Also wer ist denn bloß dieser lange Lulatsch in dem Macintosh da drüben? Ich gäb was drum, wenn ich nur wüßt. Das heißt, es schert mich imgrunde ja einen Dreck. Immer taucht doch plötzlich jemand auf, an den man nicht im Traum gedacht hätte. Eigentlich könnte man ohne weiteres auch sein ganzes Leben alleine leben. Jawohl, könnte man durchaus. Müßte dann bloß jemand auftreiben, der einen unter den Rasen bringt, wenn man gestorben ist, obwohl man sich natürlich auch vorher ein eigenes Grab buddeln könnte. Tun wir sowieso alle. Bloß der Mensch begräbt.
Nee, Ameisen ebenfalls. Das erste, was jedem einfällt. Die Toten begraben. Robinson Crusoe etwa, gilt doch als lebensechte Figur. Tja, und dann hat ihn ja auch Freitag begraben. Jeder Freitag begräbt einen Donnerstag, wenn mans recht überlegt.
Ach du armer Robinson Crusoe,
Wie kamst du da bloß zu so?
Armer Dignam! Sein letztes Lager auf Erden in einer Kiste. Wenn man denkt, daß das allen so geht, kommts einem doch glatt wie Holzverschwendung vor. Wird ja alles zernagt. Könnten stattdessen ne hübsche Bahre mit gleitendem Boden erfinden, eine Art Falltür mit Rutschbahn, und auf die Art dann einfach durch und runter damit. Jaja, aber dann würde gleich wieder jeder seine eigene Rutsche haben wollen. Da sind sie nun mal pingelig. Laßt mich in Heimaterde ruhn. Ein Kleckschen Lehm aus dem Heiligen Land. Nur Mutter und totgeborenes Kind werden zusammen in einem Sarg beerdigt. Seh den Sinn schon ein. Ganz klar. Schutz für den Kleinen so lange wie möglich, selbst in der Erde noch. Des Irländers Haus ist sein Sarg. Einbalsamieren in Katakomben, Mumien, derselbe Gedanke.
Mr. Bloom stand weit hinten, den Hut in der Hand, und zählte die baren Häupter. Zwölf. Ich bin die dreizehn. Nein. Der Kerl da im Macintosh ists. Todeszahl. Wo zum Teufel ist der plötzlich hergekommen? In der Kapelle war er noch nicht, das kann ich beschwören. Blödsinniger Aberglaube, das mit der dreizehn.
Aus schönem weichen Tweed, Ned Lamberts Anzug. Schattierung von Purpur. Ich hatte mal einen ähnlichen, wie wir noch in der Lombard Street West wohnten. Eleganter Bursche war er ja früher, immer wie aus dem Ei gepellt. Wechselte dreimal am Tag den Anzug. Ich muß mir den grauen doch mal wenden lassen bei Mesias. Hallo! Der ist ja gefärbt! Also da hätte ihm seine Frau, Moment, er ist ja doch gar nicht verheiratet, oder seine Wirtin, also die hätte ihm wahrhaftig die Fäden auszupfen können.
Der Sarg tauchte außer Sicht, niedergelassen von den Männern, die breitbeinig auf den Bohlen der Grabeinfassung standen. Sie kraxelten hoch und heraus: und alle zogen die Hüte. Zwanzig.
Pause.
Wenn wir nun alle plötzlich jemand anders wären!
Weit weg schrie ein Esel. Regen. Gar nicht so eselhaft eigentlich. Tot sieht man nie einen, heißt es.
Schämen sich des Sterbens. Und verkriechen sich. Auch Papa, der Arme, hat sich so beiseite gemacht.
Sanfte süße Luft strich flüsternd um die entblößten Häupter. Flüsternd. Der Junge am Kopfende des Grabes hielt seinen Kranz mit beiden Händen, still starrend in das schwarze offene Loch. Mr. Bloom trat hinter den liebenswürdigen beleibten Friedhofsaufseher. Gut geschnittener Gehrock.
Schätzt sie vielleicht grade ab, wer als nächster dran ist. Tja, ‘s ist ein langer Schlaf. Man fühlt nichts mehr. Nur der entscheidende Moment, den fühlt man. Muß verdammt unangenehm sein.
Läßt sich zuerst kaum glauben. Bestimmt ein Irrtum: jemand anders. Probiers mal im Haus gegenüber. Warte, ich wollte noch. Ich hab noch nicht. Dann das verdunkelte Sterbezimmer. Licht wollen sie.
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