Um die Wurst (German Edition)
Fahndungsbild gebrauchen konnten? Da gab es bessere Fotos von ihr. Sie drehte den Rückspiegel so, dass sie sich sehen konnte. Fertig sah sie aus. Wie eine hundertjährige Schildkröte. Zu Schewtschenkos Zeiten war sie schön gewesen. Wie schnell der Zerfall kommen konnte. Auch Schewtschenko hatte nicht mehr so frisch gewirkt. Früher strahlte sein Gesicht wie gebügelt. Vorhin schien es, als hätte er es zu lange getragen.
Sie drehte den Spiegel zurück und sah Blaulicht. Vier Streifenwagen, vorneweg ein silberner Audi: Belledin.
Die Kolonne zog an ihr vorbei. Hatte Belledin eine heiße Spur? Ihr war es einerlei. Für sie war der Fall erledigt. Sie hatte ihren eigenen. Sobald sie neue Papiere hatte, würde sie abtauchen, die alten Fährten aufnehmen und herauskriegen, wohin die fünf Tonnen gegangen waren. Sie würde es Schewtschenko sagen, und er würde sie dafür in Ruhe lassen. Er hatte es versprochen. Und er würde Wort halten. Er war ein Mann von Ehre.
Sie drehte wieder den Spiegel zu sich, sah sich an und gab sich eine Ohrfeige. Glaubte sie wirklich an den Blödsinn? Sie war erledigt, so oder so. Aber sie konnte nicht aufgeben. So hatte die Natur sie nicht programmiert.
*
Killian parkte den Defender vor Kochs Haus. Am anderen Ende der Straße blies die Kavallerie. Belledin brauste mit vier Streifenwagen und viel Musik an. Die Lichter in den Schlafzimmern der Nachbarhäuser gingen an. Bei Koch blieb es dunkel.
Die Polizisten stürmten das Haus, schwärmten im Garten aus. Belledin kam auf den Defender zu, ein kurzer Handschlag, dann ging er zum Haus. Vier Polizisten kamen ihm entgegen. Zwei hatten Koch in ihrer Mitte, zwei andere kümmerten sich um Bärbel. Belledin machte ihnen Platz. Koch sah auf den Boden, Bärbel blickte Belledin an.
»Danke«, sagte sie.
»Bedank dich bei ihm«, sagte Belledin. »Er war mal wieder schneller.«
Bärbel entdeckte Killian, der vor dem Defender wartete.
»Muss ich aufs Revier?«, fragte sie Belledin.
»Reicht morgen auch noch.«
Bärbel nickte und ging zu Killian. Sie sahen sich an, dann umarmten sie sich. Bärbel schluchzte. Die Anspannung fiel ab. Killian führte sie zur Beifahrerseite und half ihr in den Wagen, anschließend stieg er selbst ein und fuhr los.
»Willst du zu dir?«, fragte er.
»Ich will zu Swintha«, sagte sie, und ihre Stimme wackelte. »Irgendwann hab ich nur noch an sie gedacht, als ich gefesselt auf dem Stuhl saß. Nur noch einmal Swintha sehen, bevor es aus ist.«
»Swintha ist in Berlin.«
Bärbel streckte sich im Sitz. »Hat sie sich bei dir gemeldet?«
»Nein. Ich weiß es von einem Freund.«
»Von Moshe?«
Killian reagierte nicht.
»Was treibt sie? Warum meldet sie sich nicht?«
»Sie hat ihr eigenes Leben. Sie wird sich schon melden, wenn ihr danach ist.«
Bärbel sank wieder in sich zusammen. »Du hast recht. Sie hat ihr eigenes Leben. Und was habe ich?«
»Du hast es auch.«
»Ich will aber kein eigenes Leben, ich will ein gemeinsames.«
»Mit wem?«
»Mit Swintha, mit dir, mit irgendwem. Menschsein heißt Zusammenleben. Wir sind soziale Wesen.«
»Wie sozial ist Koch?«
»Holger? Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist. Er wollte die CD . Weißt du mittlerweile, was es damit auf sich hat?«
»Kinderpornos.«
»Was?« Bärbel sah Killian entsetzt an.
»Eine Liste mit Namen von Leuten, die mit Kinderpornos handeln.«
»Um Gottes willen. Und Holger?«
»Sein Name steht darauf.«
»Hat er etwa mit Lotte und Paul …?«
»Keine Ahnung. Bildmaterial gibt es keins.«
Bärbel schluckte. »Ist das bewiesen? Ich meine, eine Liste kann jeder aufstellen.«
»Mein Freund hat es überprüfen lassen. Zehn Leute auf der Liste sitzen bereits wegen Kinderpornografie ein, zwei weitere haben sich mittlerweile das Leben genommen, eine Kindergärtnerin aus Bremen, die mit ihrer Sonnengruppe Filmchen gedreht hat, wurde von dem Vater eines Kindes erstochen.«
Bärbel schwieg. Erst als Killian vor dem Bahnhof parkte, sprach sie wieder. »Dieser Freund von dir, ist er auch der Kerl, der weiß, dass Swintha in Berlin ist?«
Killian sah sie an.
»Er überwacht sie, habe ich recht?«
»Berufskrankheit. Mehr nicht.«
»Ich warne dich. Wenn du sie in deine Scheiße mitreinziehst, dann bist du dran.«
»Swintha ist erwachsen. Sie kann tun und lassen, was sie will.«
»Ihr könnt mich alle mal.« Bärbel stieg aus und schlug die Wagentür zu. Killian sah ihr nach und wartete, bis sie im Bahnhof verschwunden war. Dann fuhr er
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