Um die Wurst (German Edition)
Anwalt kontaktieren. Eilt aber nicht. Vielleicht fällt ihm vorher noch was ein. Ich muss mich ein Stündchen hinlegen. Falls er was Wichtiges rauslässt, darf man mich wecken.« An der Tür drehte Belledin sich noch mal um. »Und wenn Stark auftaucht: Sag ihr, sie soll sich Kochs Frau vorknöpfen.« Er wollte gehen.
»Chef«, sagte Wagner. »Es gibt einen weiteren Mord.«
»Was? Wieder ein Bolzenschuss in die Stirn?« Belledin wollte es nicht glauben.
»Nein. Diesmal ins Auge. Mit einer Walther PP .«
Belledin runzelte die Stirn.
»Oleg Aleinikov.« Wagner legte Bedeutung in den Namen.
»Muss ich den kennen?«
»Unser Computer kennt ihn.«
»Und?«
»Er war Leibwächter von Schewtschenko. Stark kannte ihn auch.«
»Und sie trägt eine Walther PP .«
»Und sie ist abgetaucht.«
»Scheiße.«
»Ich wecke Sie dann in einer Stunde. Schlafen Sie gut.«
Belledin schnaubte und schlug die Tür hinter sich zu.
*
Einen Sonnenaufgang auf den Schelinger Matten hatte Killian lange nicht mehr erlebt. Es tat gut. Manche Bilder waren kitschig geraten, mit zweien war er zufrieden. Immerhin. Er tauchte sein Gesicht in den Morgentau und schnupperte am Thymian. Dann ließ er sich den Hang hinabrollen und hoffte, dass ihm schwindlig wurde. Unten angekommen, blinzelte er in die Sonne und gähnte. Er schloss die Augen und dachte nach. Über Bärbel. Über Koch. Die Tierschützer und den Kinderporno-Ring. Militante Vegetarier und Metzger. Drei Tote, alle mit dem Bolzenschussgerät gerichtet. Gotthard und Britta Vogt. Wo waren sie abgetaucht? Warum war Schwarz mit ihnen und Ginter auf dem Foto? Was hatten sie miteinander zu tun?
Belledin mochte auf seine Intuition hören, Stark Fakten nachjagen – ihn störten ungereimte Fotos.
Er schlug die Augen auf und kletterte den Hang hoch. Eine Serie schoss er noch. Jetzt war das Licht schon härter. Vogtsburg erwachte.
Er stieg in den Defender und tuckerte durch die Reben. An den Rainen blühte roter Klatschmohn. Er dachte an die Mohnfelder in Afghanistan. Nein. Nicht jetzt. Er zwang seine Gedanken in eine andere Richtung. Es gelang. Er sah Swintha vor sich. Wie sie vor seinem Atelier das erste Mal auf ihn gewartet hatte. Praktikantin werden wollte. Und am Ende seine Tochter war. Jetzt arbeitete sie bei Ramelow. Das passte ihm überhaupt nicht. Nach und nach warb Moshe sie an. Einfach so. Ohne zu fragen. Und Swintha wusste nichts davon. Er musste es unterbinden. Er musste nach Berlin. Was kümmerten ihn Gotthard und die Toten? Er hatte sich um seine lebende Tochter zu kümmern.
Er erreichte die Bruckmühlenstraße und parkte den Defender vor der Rampe. Als er die Stufen zum Atelier nach oben stieg, zögerte er. Die Tür war angelehnt. Er hatte sie verschlossen gehabt. Schon wieder Einbrecher? Die CD hatte er Belledin bereits gegeben, samt Entschlüsselung. Aber vielleicht hatte sich das noch nicht herumgesprochen?
Er schob die Tür auf und horchte ins Atelier. Es war ruhig. Er ließ die Tür offen, damit er kein Kunstlicht anknipsen musste, und sah sich um. Aufgeräumter wirkte es nicht, aber eine weitere Wühltisch-Aktion konnte er auch nicht erkennen. Er legte seine Kamera auf dem kleinen Tisch neben dem Sofa ab und ging in die Küche. Dort setzte er heißes Wasser auf.
»Machst du mir einen Kaffee?« Es war Stark. Sie kauerte unter der Spüle. Jetzt schob sie den Vorhang zur Seite und sah nach oben.
»Gerne«, sagte Killian.
»Du fragst gar nicht, was ich hier unten mache.«
»Ich muss nicht alles wissen.«
»Ich bin auf der Flucht.«
»Willst du ihn stark?«
»Vor Schewtschenko.«
»Zwei Tassen?«
»Er lebt. Und er will, dass ich ihn zu fünf Tonnen Heroin bringe.«
»Frisch gemahlen?«
»Ich habe Oleg getötet, seinen Leibwächter. Wenn sie ihn nicht entsorgt haben, dann hängt mir jetzt auch Belledin an den Fersen.«
»Das Wasser ist etwas kalkhaltig.«
Stark sagte irgendetwas. Killian hörte es nicht, weil er die Kaffeebohnen mahlte. Sie war unter der Spüle hervorgekommen. Die Kaffeemühle verstummte. Killian drehte sich zu ihr, drückte sie an sich und küsste sie. Sie krallte ihre Fingernägel in seinen Nacken und presste ihr Becken gegen ihn. Dann stieß sie sich von ihm ab.
»Hilfst du mir?«
Er sah sie an. Und er sah sich in ihr: durchgescheuert, wund gelaufen und mit wenig Hoffnung auf Veränderung. Niemals aufgebend. Kämpfend bis zum letzten Atemzug. Vom Leben überfordert und doch daran hängend. Das Schicksal herausfordernd und dem Tod von der
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