Um die Wurst (German Edition)
Schippe springend. Immer wieder. Ein ermüdendes Spiel. Aber das einzige, das sie gut beherrschten. Beide.
»Du willst abtauchen?«, fragte er.
»Sofort.«
»Ich fahr nach Berlin. Komm mit. Dort kenne ich jemanden, der gute Papiere macht.«
»Ich brauche auch Geld.«
»Habe ich nicht viel. Aber ich kann dir einen Job besorgen.«
Sie sah an ihm vorbei. »Nein. Einen Job schaffe ich nicht. Ich brauche Ruhe. Ich kann nicht mehr. Ich mache zu viele Fehler.«
»Ruhe ist der größte Fehler.«
Sein Blick traf ihre Augen. Sie warf sich hinein und versank darin. Es würde das dritte Mal sein, dass sie miteinander schliefen. Eine magische Zahl.
*
Das Krankenhaus hatte sich verändert. Als Belledin zum letzten Mal hier gewesen war, hatten sie ihm den Blinddarm entfernt. Direkt aus dem Französischunterricht hatte man ihn hierherverfrachtet. Damals wollte man lieber nach Freiburg in die Uni-Klinik, niemals nach Breisach. Von hier hörte man die unglaublichsten Geschichten. Wenn man sterben wollte, so sollte man ins Breisacher Krankenhaus, hieß es. Da kommt keiner lebend raus, hatten sie gesagt. Und Belledin hatte Blut und Wasser geschwitzt, als man ihn mit Blaulicht hierherkarrte.
Jetzt stand er neben dem Krankenbett und blickte auf die blasse Daniela Koch herab.
»Wie viel wussten Sie davon?«, fragte Belledin.
Sie hob die schweren Lider und sah ihn mit ihren dunklen großen Augen an. »Alles und nichts.«
»Das heißt?«
»Ich wusste von Marlena. Auch von anderen Schülerinnen, die er vorher hatte. Ich wusste auch von Bärbel Engler. Er hatte gesagt, das wäre ein therapeutischer Schritt. Immerhin hätte er nichts mehr mit einer Minderjährigen.«
»Und die Kinderpornos? Haben Sie auch welche mit Ihren Kindern gedreht?«
»Nein. Nein. Nein.« Bei jedem »Nein« wälzte sie ihren Kopf auf dem Kissen. Rhythmisch, wie das Pendel einer Standuhr.
Belledin packte ihren Kopf und hielt ihn fest. Sie stierte ihn an.
»Haben Sie Schwarz umgebracht, weil er Sie erpresst hat?«
»Lassen Sie mich los oder ich schreie!«
Belledin tat es.
»Ich war Schwarz dankbar. Ich habe gehofft, dass es enden würde, wenn Holger wusste, dass er erpressbar war.«
»Wo war Ihr Mann in der Nacht, als Schwarz ermordet wurde?«
»Nebenan. Im Kinderzimmer. Er schlief oft dort.« Sie sah zur Decke und summte ein Schlaflied.
Belledin schauderte. Er ließ sie summen, stand auf und verließ das Zimmer.
*
Killian küsste sie auf die Narbe an ihrem Hals. Er fragte nicht, woher sie stammte. Was vernarbt war, lag nicht mehr offen. Das ging niemanden etwas an. Sie hielt die Augen geschlossen. Und ließ ihn los. Er stand auf und zog sich an.
»Hast du schon gepackt?«, fragte er.
»Keine Zeit. Ging alles zu schnell.«
»Von meinen Sachen wird dir nichts passen. Aber Swintha hat hier einen kleinen Schrank. Du könntest ihre Größe haben.«
»Swintha?«
»Meine Tochter.«
»Du hast eine Tochter?« Sie schlug die Augen auf und richtete sich im Bett auf.
»Ja. Sie studiert in Berlin.« Er zog einen großen Alukoffer unter dem Bett hervor und öffnete ihn.
»Du hast aber früh angefangen.«
»Zum Glück. Danach hatte ich keine Zeit mehr.« Er ging im Atelier umher und suchte aus den Kleidern, die die Einbrecher verstreut hatten, einige Klamotten zusammen, die er für die Reise brauchte.
»Meinst du, ich habe noch Zeit, sie kennenzulernen?«
»Wenn du dich beeilst, bevor Schewtschenko hier ist?«
»Woher sollte er wissen, dass ich hier bin?«
»Er hat auch gewusst, dass du ihn hast hochgehen lassen. Glaubst du etwa, der Wagen von Oleg hat keinen Peilsender?«
Stark sprang auf. »Daran habe ich nicht gedacht. Scheiße. Und wir trödeln hier rum.«
»Ich fand nicht, dass wir getrödelt haben.« Er küsste sie auf die Wange und warf ihr ein Kleid von Swintha zu. Sie fing es und sah entgeistert drauf. Es war beige mit grünem Blumenmuster.
»Das könnte dir passen«, sagte Killian.
»Ein Sack über dem Kopf wäre mir jetzt lieber.«
»Gibst du auf?«
»Nein. Aber ich ziehe kein Kleid an. Nie. Ich bin eine Hosenbraut.« Sie roch an dem Kleid. »Riecht nach Jugend und Unschuld.«
Killian sah sie verstört an. Er dachte an Swintha. Sie war wieder bei Ramelow. Das erste Mal hatte er es noch abwenden können. Jetzt drohte sie ihre Unschuld zu verlieren. Er warf Stark eine Jeans und zwei Sweatshirts aufs Bett. Sie hielt noch immer das Kleid an die Nase gedrückt.
»Das letzte Mal, dass ich ein Kleid getragen habe, war auf einer Party
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