Um die Wurst (German Edition)
Beziehung. Und das wäre Verrat. Verrat an Schewtschenko, dem sie schon einmal in den Rücken gefallen war. Sie hasste sich noch immer dafür. Sie konnte es nicht ausradieren. So viele Argumente sie auch dagegen wusste, sie war eine Verräterin, hatte dem Menschen, der sie bedingungslos geliebt hatte, den Judaskuss verpasst.
Sie streifte sich ihre Lederjacke über und ging die wenigen Schritte bis zu der Schlafstatt, in der sie mit Killian getobt hatte. So, wie er dalag, war die Nacht bestimmt gut gewesen. Aber sie wusste nichts mehr davon. Sie hatte den Akt verdrängt. Ihr Rücken brannte. Er musste seine Nägel in sie hineingegraben haben. Es blieben also Spuren. Immerhin. Sie lächelte. Aber sobald sie es bemerkte, gefror es. Sie mochte keine Spuren auf ihrer Haut. Sie mochte keine Erinnerung an diese Nacht. Sie mochte auch nicht, dass Killian und ihre Wege sich noch einmal kreuzten. Das würde aber geschehen, weil er in den Fall verwickelt war. Es sei denn, er ließ davon ab. Sie würde einen Bericht schreiben und ihn zu den Akten legen.
Aber Killian war keiner, der einfach Ruhe gab. Vielleicht war es besser, ihn zu töten. Der Gedanke stand im Raum und wuchs sich aus. Wie ein Dämon füllte er ihr Hirn und forderte sie mit weit aufgerissenen Augen dazu auf, ihn in die Tat umzusetzen. Womit? Mit der Dienstwaffe? Die hatte sie zum Glück im Wagen gelassen. Hatte sie nicht irgendwo ein Messer gesehen? Dort, neben dem Bett. Auf dem Teller mit den Apfelschalen.
Sie sah auf Killians Hals. Offenbar hatte sie ihm einen fetten Knutschfleck neben den Kehlkopf gesetzt. Er zeigte ihr die Stelle, in die sie hineinstechen konnte. Dahinter verbarg sich die Halsschlagader. Es würde spritzen wie bei einer angestochenen Sau. Am besten ihr in die Augen, bis sie blind wäre von Blut und es für immer alles auslöschte, was sie jemals hatte sehen müssen und dürfen. Sie wusste nicht, was besser wäre zu vergessen: das Schöne oder das Hässliche. Egal. Jede Erinnerung sollte ausgelöscht werden. Nur so gäbe es einen Neuanfang.
Sie schritt auf den Teller mit dem Messer zu, beugte sich hinunter und wollte danach greifen, da packte sie ein Arm am Handgelenk und zog sie aufs Bett. Wenige Augenblicke später fühlte sie die vollen Lippen Killians auf ihrem Mund. Sie konnte nicht widerstehen, ihre Zunge gegen seine zu stemmen.
Während seine Hände unter ihrer Lederjacke ihre Brüste suchten, umklammerte sie entschlossen das Messer. Das Klingeln eines Handys unterbrach den Kuss. Killian zog seine Hand von ihrer Brust und griff nach dem Telefon.
»Ja? – Was? Jetzt? – Zur großen Pause? – Gut, ich komme.«
Er legte das Handy wieder zur Seite und sah sie an.
»Kaffee?«
Sie ließ das Messer lautlos auf den Teller gleiten und nickte.
»Die Jacke gefällt mir. Ist mir aber wohl etwas zu klein«, sagte er, als er sich aus dem Bett schwang.
»Original aus den Sechzigern«, antwortete sie, und es war ihr gelungen, den Dämon in den Höllengrund ihrer Seele zu verdammen. Manchmal war es stärker als man selbst. Sie hätte zugestoßen, Killian getötet. Einfach so. Wie ferngesteuert. Noch mal davongekommen. Sie dachte an Saier, den verrückten Metzger, der blutverschmiert Kinder erschreckte. Wie lange würde er es schaffen, seine Dämonen zu bändigen? Hatten sie ihn vielleicht doch schon längst im Griff? Was war sein Alibi wert? Sie würde ihn noch einmal vernehmen müssen.
*
Wie konnte man so eine Frau betrügen? Belledin sah Bernadette Ginter auf den wohlgeformten Hintern. Ihre Gefasstheit stand ihr sehr gut. Das schwarze Trauerkleid ebenfalls. Es war gewagt eng, aber sie konnte es durchaus tragen. Trotz – oder gerade wegen ihrer weiblichen Formen.
»Ich wusste schon lange von dem Verhältnis«, sagte sie, als sie mit dem Tablett aus der Küche kam. »Aber wir hatten die finanziellen Angelegenheiten schon früh vertraglich geklärt, also machte ich mir keine Gedanken. Den Rest kann man nicht beeinflussen. Das ist der Lauf der Welt. Die Männer wollen auch mit fünfzig noch den Stier in sich beweisen. Wieso sollte man sich dagegenstemmen? Dazu ist das Leben doch zu kurz.«
Belledin sagte nichts. Er nahm den Kaffee vom Tablett, löffelte zweimal Zucker und schlürfte. Eindeutig kein Filterkaffee. Es gab ja mittlerweile viele Haushalte, die mit Kaffeemaschinen ausgestattet waren, als betrieben sie eine Bar. Belledin hatte auch mal daran gedacht, sich so ein Gerät hinzustellen. Er liebte Kaffee. Kaffee hätte sogar zu
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