Um die Wurst (German Edition)
Ohrfeige zu geben.
»Es geht nicht um uns. Es geht um Erik«, sagte er und senkte dabei konspirativ seine Stimme.
»Ja?« Bärbel blieb betont neutral.
»Kurz bevor er … ich meine, bevor sie ihn umgebracht haben, hat er mir gesagt, dass er mir etwas geben wollte.«
»Und?«
»Irgendeinen USB -Stick oder eine CD .«
»Mit welchem Inhalt?«
»Ich weiß es nicht. Er hat mir ja nichts gegeben.«
»Und weswegen kommst du damit jetzt zu mir?«
»Ich dachte, du wüsstest vielleicht etwas darüber. Ich meine, ihr wart in letzter Zeit auch sehr eng miteinander.«
Jetzt verpasste ihm Bärbel die Ohrfeige. Holger nahm sie verdutzt entgegen, wehrte sich nicht.
»Hat er dir etwas gegeben?«, fragte er stattdessen.
»Nein«, log Bärbel. Holger ging die CD nichts an. Ihn hatte überhaupt nichts mehr anzugehen, was sie betraf. Seinen Mitgliedsbeitrag für die Tierschützer konnte er gerne weiterbezahlen, aber im Vorstand wollte sie ihn nicht mehr sehen. Er konnte auch gerne ganz aus ihrem Leben verschwinden. Wenn sie ihn jetzt so vor sich sah, mit der rot durchbluteten Wange, der neutestamentlich hingenommenen Ohrfeige, schämte sie sich, dass sie mit so einem Waschlappen ein Verhältnis gehabt hatte, von dem sie sich sogar mehr als nur heimliche Nummern im VW -Bus erhofft hatte.
»War’s das?«, fragte sie.
»Er hat dir wirklich nichts gegeben?«
»Nein.«
»Aber ich habe gesehen, wie du Killian etwas gegeben hast.«
»Es war der Hausschlüssel. Du brauchst ihn ja nicht mehr.«
»Habt ihr etwa wieder etwas miteinander?«
»Geht es dich etwas an?«
»Nach allem, was du mir von ihm erzählt hast, würde es mich wundern.«
»So?«
Er sah sie eindringlich an. »Es war eine CD , stimmt’s?«
»Und wenn?«
»War es eine CD von Erik?«
»Ja. Von Erik Satie. Killian mag solche Musik.« Bärbel grinste innerlich.
»Ich hoffe, du sagst die Wahrheit.« Holgers Stimme bekam etwas Gefährliches.
»Warum ist diese CD denn so wichtig?«, fragte sie. Vielleicht konnte sie etwas herauskriegen, was Killian das Knacken des Passwortes ersparte.
»Das weiß ich nicht. Aber ich bin sicher, dass es etwas mit Eriks Tod zu tun hat.«
»Woher willst du das wissen?«
»Intuition.« Holger verzog den Mund. Nun schien er wieder Oberwasser zu haben.
»Darin bist du ja ganz gut«, sagte Bärbel, wandte sich um und ging über den Schulhof auf das Schulgebäude zu. Sie wusste, dass Holger ihr nachsah. Sie ahnte aber auch, dass andere Augenpaare irgendwo aus den Fenstern des Gebäudes gesehen hatten, wie sie und ihr Kollege Holger Koch ein Gespräch im Turteleck geführt hatten, bei dem sie ihm eine saftige Ohrfeige verpasst hatte. Ausreichend Gewürz für die Gerüchteküche. Ihr war es egal. Sie hatte nichts zu verlieren. Es war Holger, der seine Vorzeigefamilie nicht aufs Spiel setzen wollte. Sie wunderte sich, dass er sie dennoch auf dem Schulhof angesprochen hatte. Die CD musste so wichtig für ihn sein, dass er darüber sogar seinen ehrbaren Ruf vergaß.
Bärbel hoffte, dass Killian den Datenträger bald geknackt haben würde, und sie ertappte sich bei einem Seufzer. Er hätte die Ohrfeige nicht so einfach hingenommen. Er hätte sie mindestens geküsst.
Sie schüttelte über sich selbst den Kopf und strich ihren wilden Rotschopf aus der Stirn. Sie hasste sich für solche macho-archaischen Bilder, aber sie kamen nun mal hoch. Wütend trat sie gegen eine Redbull-Dose, die ein Schüler mal wieder neben den Abfalleimer geschmissen hatte. Die Dose schepperte über den Asphalt des Hofes und landete zwischen zwei blank geputzten Halbschuhen der Marke Alden. Klassische Cordovans, zeitlos wie das Latein, das ihr Besitzer jederzeit zum Besten gab.
Direktor Gugel bückte sich und hob die Dose auf.
Bärbel sah ihm direkt ins Gesicht und wartete auf ein Zitat aus dem »Gallischen Krieg«. Vielleicht auch Seneca. Aber Gugel schwieg und entsorgte die Dose demonstrativ im Abfall. Dann erst sah er zu Bärbel.
»Alles in Ordnung, Frau Engler?«
»Alles in Ordnung.« Sie wollte an ihm vorbei ins Schulgebäude.
»Der Kriegsfotograf. Killian, was wollte der hier?«, fragte Gugel in ihren Rücken.
Bärbel drehte sich auf der Treppe um. »Wir hatten angedacht, in der Projektwoche wieder zusammenzuarbeiten. Diesmal könnte es um die Despoten in der arabischen Welt gehen. Er hat einiges an Fotomaterial darüber. Infos aus erster Hand, ungefiltert, ohne Medientünche. Das ist interessant für unsere Schüler.«
»Die ganze Wahrheit wird
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