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Um Haaresbreite

Um Haaresbreite

Titel: Um Haaresbreite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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bedrohlich, seine Zähne blitzten gelblich im Kabinenlicht auf. »Glauben Sie, Sie seien Manns genug, um es mit mir aufzunehmen, Opa?«
    Shaw klammerte sich mit beiden Händen an die Tischecke und fragte sich, wie Gly ihn zu töten beabsichtigte. Eine Pistole mit Schalldämpfer? Vielleicht ein Messer? Er mußte es leise tun, denn sonst würden Coli und die Mannschaft des Schleppdampfers sofort hereinstürzen.
    Gly saß mit verschränkten Armen vor ihm. Er sah gelassen aus, zu gelassen.
    »Ich brauche mir die Mühe nicht mehr zu machen. Mr. Villon hat es sich anders überlegt. Er wird Sie an die Polizei ausliefern.«
    Shaw hatte einen Fehler gemacht. Er sah es an Glys Gesicht.
    »War ein netter kleiner Versuch, Opa, aber er ist danebengegangen. Villon kann es sich nicht leisten, mich am Leben zulassen. Ich könnte ihn bis zur nächsten Eiszeit hinter Gitter bringen.«
    »Das wollte ich nur gehört haben«, sagte Shaw mit gespielter Gleichgültigkeit. »Der Bericht betrifft Villon, nicht Sie.« Er zeigte auf die Tischplatte. »Lesen Sie ihn selbst.«
    Gly blickte auf das Papier.
    Shaw warf sich mit aller Kraft gegen den Tisch, machte eine Drehwendung und rammte Gly die Kante in den Pullover oberhalb der Gürtellinie.
    Ein grunzender Laut war die einzige Reaktion. Gly hielt dem Anprall stand, rührte sich kaum vom Fleck. Jeder andere wäre mit einem Schmerzensschrei an die gegenüberliegende Wand geprallt. Er krallte seine riesige Faust um ein Tischbein und hob das schwere Eichenmöbel mühelos bis an die Decke.
    Shaw traute seinen Augen nicht. Dieses Ding mußte mindestens achtzig Kilo schwer sein.
    Gly ließ den Tisch langsam herabsinken und schob ihn beiseite wie ein Kind, das seine Puppe in den Babywagen legt, und dann erhob er sich. Shaw nahm seinen Stuhl, schleuderte ihn ihm heftig entgegen; aber Gly fing ihn in der Luft auf, stellte ihn ab, schob ihn an den Tisch.
    Keine Wut, kein wildes Aufleuchten war in Glys Augen zu sehen, als er den vor ihm stehenden Shaw kalt musterte.
    »Ich habe einen Revolver«, sagte Shaw, mit Mühe seine Stimme beherrschend.
    »Ich weiß«, erwiderte Gly mit einem bösen Grinsen. »Eine schäbige, altmodische, fünfundzwanzigkalibrige Beretta. Steckt in einem Stiefel neben Ihrer Pritsche. Ist auch immer noch da.
    Habe nachgesehen, bevor ich hereinkam.«
    Jetzt wußte Shaw, daß er nicht mit einer Kugel im Leib oder einem Messerstich enden würde. Gly war entschlossen, es mit bloßen Händen zu tun.
    Shaw kämpfte gegen ein Gefühl der Übelkeit an, holte zu einem Karatetritt aus. Er hätte ebensogut nach einem Baumstamm treten können. Gly schnellte zur Seite, fing den Tritt mit der Hüfte ab. Dann trat er vor, nahm sich nicht einmal die Mühe, in Deckung zu bleiben. Er hatte den ausdruckslosen Blick des Schlächters, der sich einem Ochsen nähert.
    Shaw wich zurück, bis er mit dem Rücken an die Wand stieß, blickte sich verzweifelt nach einer Waffe um, nach einer Lampe oder einem schweren Buch, nach irgend etwas, das er werfen, womit er diese hundert Kilo Muskeln aufhalten konnte. Aber Schleppdampferkajüten sind sehr nüchtern eingerichtet, und außer einem an die Wand geklebten Bild war nichts in Reichweite.
    Shaw preßte die Handflächen zusammen, versetzte Gly einen scharfen Hieb auf den Nacken.
    Es war ihm, als hätte er auf Beton geschlagen, und er stöhnte vor Schmerzen auf.
    Gly schien völlig unversehrt, zog Shaw mit einem seiner Arme rücklings zu sich heran, drückte ihm den anderen vor die Brust.
    Dann verstärkte er den Druck, bis Shaws Rückgrat sich zu verbiegen begann.
    »Jetzt ist es aus mit dir, du alter Scheißbrite.«
    Shaw biß die Zähne zusammen, fühlte einen unerträglichen Schmerz in sich aufsteigen. Die Luft wurde ihm aus den Lungen gedrückt, das Pochen seines Herzens drang ihm in den Kopf, die Kajüte tanzte und verschwamm vor seinen Augen. Ein letzter Schrei zwängte sich bis in seine Kehle, erstarb. Dann war nur noch der wilde Schmerz in seinem Rücken. Der Tod allein konnte ihn davon befreien.
    Irgendwo in der Ferne, es schien Meilen entfernt, hörte er ein lautes Krachen, und er glaubte, es sei alles vorüber. Der Druck ließ plötzlich nach, und die Schmerzen wurden um einige Grad erträglicher. Dann sackte er zusammen und fiel zu Boden.
    Shaw fragte sich, was nun geschehen würde. Ein langer Marsch durch einen dunklen Tunnel und dann blendendes Licht? Er war etwas enttäuscht, daß er keine Musik hörte. Er begann, seine Empfindungen zu sortieren.

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