Um Haaresbreite
um etwa acht Uhr dreißig an, drückte auf die Klingel, übergab Boucher die Suppe und ging dann wieder. Sie trug Handschuhe, und dadurch hinterließ der nächste nackte Finger einen besonders klaren Abdruck.«
»Hühnersuppe«, sagte Sarveux kopfschüttelnd. »Die ewige Allerweltskur.«
»Dank Mrs. Saban wissen wir, daß jemand nach acht Uhr dreißig an jenem Abend bei Guerrier kungelte.«
»Wenn wir Boucher glauben sollen, wie konnte Villon gleichzeitig an zwei Orten sein?«
»Keine Ahnung.«
»Ist die Untersuchung offiziell abgeschlossen?«
Finn nickte. »Eine Weiterführung hätte wenig ergeben.«
»Ich möchte, daß Sie sie wieder aufnehmen.«
Finn zuckte mit den Augenbrauen. »Wie bitte, Sir?«
»An Bouchers Geschichte könnte doch etwas dran sein«, sagte Sarveux. Er schob Finn den Bericht Shaws zu. »Das habe ich eben von einem Agenten des britischen Geheimdienste bekommen. Er vermutet, daß eine Beziehung zwischen Henri Villon und einem bekannten Mörder besteht. Gehen Sie einmal der Sache nach. Außerdem möchte ich, daß Ihre Leute eine zweite Autopsie vornehmen.«
Finn runzelte die Stirn. »Ein Antrag auf Exhumierung könnte heikle Folgen nach sich ziehen.«
»Ein Antrag wird nicht gestellt«, sagte Sarveux barsch.
»Ich verstehe, Herr Premierminister.« Finn hatte sofort begriffen. »Die Sache wird unter strengster Geheimhaltung durchgeführt. Ich werde mich persönlich darum kümmern.«
Finn steckte die Berichte in seine Aktenmappe zurück und erhob sich.
»Da ist noch eins«, sagte Sarveux.
»Jawohl, Herr Premierminister?«
»Seit wann wußten Sie, daß meine Frau mit Villon ein Verhältnis hatte?«
Finns gewöhnlich undurchdringliches Gesicht nahm einen schmerzlichen Ausdruck an. »Nun, Sir… äh… vor fast zwei Jahren wurde ich darauf aufmerksam gemacht.«
»Und Sie sind nicht zu mir gekommen?«
»Solange kein Grund vorliegt, landesverräterische Umtriebe vorauszusetzen, halten wir
Mounties
uns an die Regel: Keine Einmischung in das Privatleben kanadischer Staatsbürger.«
Dann fügte er hinzu: »Das schließt natürlich auch den Herrn Premierminister und die Abgeordneten des Parlaments ein.«
»Sehr vernünftig«, sagte Sarveux resigniert. »Ich danke Ihnen, Herr Oberkommissar. Das wäre alles… im Augenblick.«
61
Morgengrauen lastete über dem St. Lawrence.
Zwei der Schwerverletzten waren gestorben, hatten die Zahl der Toten auf zwölf erhöht. Einer der vermißten Taucher wurde sechs Meilen flußabwärts an das Ufer geschwemmt. Den anderen fand man nicht.
Benommen vor Erschöpfung und in tiefer Trauer stand die Crew der
Ocean Venturer
schweigend an der Reling, als die Toten feierlich für die letzte Reise auf die
Phoenix
übergeführt wurden.
Nachdem Collins mit einer fast leeren Sauerstoffreserveflasche in seinem JIM-Anzug an Bord gebracht worden war, stellte Pitt alle weitere Tätigkeit auf dem Wrack ein. Metz meldete, daß der Maschinenraum einigermaßen trocken und die
Ocean Venturer
so weit wieder hergestellt sei, denn der Neigungswinkel betrug nur noch zehn Grad. Die Bergungsspezialisten der Kriegsschiffe wurden entlassen und die langen Schläuche ihrer Hilfspumpen zurückgeschafft.
Das Forschungsschiff konnte jetzt mit eigener Kraft, wenn auch nur mit einem Motor, die Heimfahrt antreten. Der zweite Motor war an Ort und Stelle nicht zu reparieren.
Pitt ging in den Schacht hinunter und zog sich einen Taucheranzug an. Er schnürte seinen Gewichtsgürtel zu und schloß die Preßluftflaschen an, als Gunn auf ihn zutrat.
»Du willst noch einmal auf das Wrack«, sagte er feststellend.
»Nach allem, was geschehen ist, wäre es ein Verbrechen, unverrichteter Dinge abzuziehen. Ich hole den Vertrag.«
»Hältst du es für klug, allein zu tauchen? Warum nimmst du nicht Dunning und seine Leute mit?«
»Sie sind momentan nicht in der erforderlichen Verfassung«, sagte Pitt. »Sie haben sich bereits beim Heraufschaffen der Leichen übernommen und viel zuviel Stickstoff in ihren Lungen angesammelt.«
Gunn wußte, daß es aussichtslos war, den starrköpfigen Pitt zu überreden. Er gab seinen mißlungenen Versuch auf, zuckte die Schultern und verzog das Gesicht. »Es ist schließlich dein Begräbnis.«
Pitt grinste. »Ich danke dir für den fröhlichen Abschiedsgruß.«
»Ich werde die Bildschirme im Auge behalten«, sagte Gunn.
»Und falls du den bösen Buben spielst und vor Feierabend nicht zurück bist, komme ich persönlich mit ein paar Preßluftflaschen hinunter,
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