Um Haaresbreite
klopfte Miß Gösset auf die Schulter. »Gedulden Sie sich bitte noch ein bißchen. Es wird nur ein paar Minuten dauern.«
Er folgte dem Portier drei Treppen hinunter bis zum Kellergewölbe, wo sie an eine große Eisentür in einer Betonmauer gelangten. Er sah zu, wie sich zwei schwere Messingschlüssel in den geölten Öffnungen zweier riesiger Sicherheitsschlösser drehten, ohne das geringste Geräusch zu machen. Der Portier stieß die Tür auf und trat beiseite.
»Ich muß Sie einschließen, Sir«, sagte er vorschriftsgemäß.
»An der Wand ist ein Telefon. Wählen Sie einfach dreizwei, wenn Sie wieder gehen wollen.«
»Ich kenne die Vorschriften. Vielen Dank.«
Die Akte der Geheimdokumente des Frühjahrs 1914 war nur vierzig Seiten dick und enthielt keine welterschütternden Enthüllungen. Beaseley wollte die Mappe gerade wieder ins Regal stellen, als ihm etwas Seltsames auffiel.
Mehrere Mappen standen um einige Zentimeter aus der Reihe hervor und ließen sich nicht weiter hineinschieben. Er zog sie heraus.
Irgendwie war eine andere Mappe dahintergeschoben worden, und die nahm er sich jetzt vor.
Er schlug den Deckel auf. Auf der Titelseite eines Heftes, das wie ein Bericht aussah, las er die Worte »Nordamerikanischer Vertrag«.
Er setzte sich an einen großen, leeren Metalltisch und begann aufmerksam zu lesen.
Zehn Minuten später sah Beaseley wie jemand aus, auf dessen Schulter sich um Mitternacht auf dem Friedhof eine kalte Hand gelegt hat. Die Finger zitterten ihm so, daß er kaum fähig war, die Rufnummer auf dem Telefon zu wählen.
Gleich darauf öffnete der Portier die Eisentür und schaute verwundert auf Beaseley, der wortlos an ihm vorbeiging.
14
Heidi nahm ihre Abflugkarte entgegen und blickte auf den Bildschirm, wo die Flugzeiten angegeben waren.
»Ich habe noch vierzig Minuten totzuschlagen«, sagte sie.
»Zeit genug für einen Abschiedstrunk«, erwiderte Pitt.
Er führte sie durch die gedrängt volle Halle des Flughafens zur Cocktailbar.
Geschäftsreisende mit gelösten Kragen und zerknitterten Anzügen hockten in allen Ecken herum. Pitt eroberte einen kleinen runden Tisch und bestellte bei einer vorübereilenden Kellnerin. »Ich wäre gerne geblieben«, sagte sie traurig.
»Was hindert dich daran?«
»Die Navy sieht es nicht gern, wenn Offiziere das Schiff verlassen.«
»Wann hast du wieder Urlaub?«
»Ich muß mich bis morgen mittag beim Marineamt in San Diego melden, und dann geht es zum Dienst auf See.«
Er blickte ihr in die Augen. »Unsere Affäre scheint an der Geographie zugrunde zu gehen.«
»Wir haben ihr auch keine große Chance gegeben, nicht wahr?«
»Es sieht so aus, als hätte es nie sein sollen«, sagte Pitt.
Heidi starrte ihn an. »Genau das hat er gesagt!«
»Wer?«
»Präsident Wilson in einem Brief.«
Pitt lachte. »Und mich hast du schon ganz vergessen?«
»Verzeih mir.« Sie verscheuchte den Gedanken. »Es war nichts.«
»Deine Forschungsarbeit scheint dich sehr zu beschäftigen.«
»Ein paar Komplikationen«, sagte sie. »Ich wurde abgelenkt.
Das passiert manchmal. Man vergräbt sich in ein Thema, und plötzlich stößt man auf eine interessante Information, die einen in eine völlig andere Richtung verschlägt.«
Die Getränke kamen, und Pitt bezahlte der Kellnerin. »Bist du sicher, daß du keine Urlaubsverlängerung beantragen kannst?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wenn ich nur könnte! Aber ich habe alle meine Urlaubstage aufgebraucht, und es wird sechs Monate dauern, bis ich wieder dran bin.« Plötzlich wurden ihre Augen lebhaft. »Warum kommst du nicht mit? Wir könnten ein paar Tage gemeinsam verbringen, bevor ich auf See gehe.«
Pitt nahm ihre Hand. »Tut mir leid, Liebste, das geht wirklich nicht. Ich muß nämlich nach Labrador, wegen eines Projektes.«
»Wie lange wirst du fortbleiben?«
»Einen Monat, vielleicht sechs Wochen.«
»Werden wir uns wiedersehen?« Ihre Stimme wurde schwach.
»Ich glaube fest daran, daß gute Erinnerungen wiederholt werden sollten.«
Zwanzig Minuten später, nachdem sie ihren zweiten Drink genommen hatten, begleitete Pitt Heidi zum Abflugschalter. Die meisten Passagiere warteten bereits auf den Einstieg, und im Lautsprecher ertönte der letzte Aufruf.
Sie stellte ihre Handtasche und ihren Kosmetikkoffer auf einen leeren Stuhl und blickte Pitt erwartungsvoll an. Er nahm sie in die Arme und küßte sie. Dann warf er grinsend den Kopf zurück. »Jetzt ist es um meinen Ruf als Macho
Weitere Kostenlose Bücher