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Um Haaresbreite

Um Haaresbreite

Titel: Um Haaresbreite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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der Unbehaglichkeit einzuschüchtern. Sein ehemaliger Chef hätte solche amateurhaften Mätzchen nicht geduldet.
    Er bemerkte die Unordnung auf dem Schreibtisch. Nachlässig aufgestapelte Akten, zum Teil mit der Titelseite nach unten. Und deutliche Spuren von Staub. Nicht regelmäßig über die Schreibtischplatte verteilt, sondern an Orten, wo kein Staub sein soll. Die oberen Kanten der Körbe für die ein- und ausgehende Post unter dem Telefon ragten zwischen Aktendeckeln hervor.
    Plötzlich wurde sich Shaw der Täuschung bewußt.
    Erstens das Fehlen des Fahrstuhlführers, der sich zu versichern pflegte, daß die Besucher nur dort ausstiegen, wohin man sie schickte. Dann das Fehlen der Wachmänner, die an den Treppen standen und auf jedem Stockwerk als Empfangsbeamte dienten.
    Und dann sein verlassenes Büro.
    Seine ehemalige Abteilung des British Intelligence Service war nicht mehr in diesem Gebäude.
    Das Ganze war ein Possenspiel, eine Bühne, auf der man ein Stück für ihn inszeniert hatte.
    Brigadegeneral Simms ließ sich steif in seinen Stuhl sinken und starrte Shaw an. Sein Gesicht war undurchdringlich und so unerforschlich wie das einer Buddhastatue. »Ich nehme an, Sie sind zum ersten Mal wieder im alten Bau, seit Sie in den Ruhestand traten.«
    Shaw nickte. »Ja.« Er fand es seltsam, in diesem Raum einem jüngeren Mann gegenüberzusitzen.
    »Es sieht wohl immer noch so aus wie früher.«
    »Einiges hat sich geändert.«
    Simms linke Braue zuckte leicht. »Sie meinen wahrscheinlich, was das Personal anbetrifft.«
    »Die Zeit vernebelt die Erinnerung«, erwiderte Shaw philosophisch.
    Die Braue zuckte nicht mehr. »Sie fragen sich gewiß, warum ich Sie hierher gebeten habe?«
    »Daß man mir bei einer Beerdigung eine Einladung in die Manteltasche steckte, fand ich ein bißchen theatralisch«, sagte Shaw. »Sie hätten mir doch einfach schreiben oder mich anrufen können.«
    Simms lächelte eisig. »Ich habe meine Gründe, und zwar sehr gute Gründe.«
    Shaw beschloß, distanziert zu bleiben. Er mochte Simms nicht und sah keinen Grund, mehr als höflich zu sein. »Offenbar haben Sie mich nicht zu einem Altherrenabend eingeladen.«
    »Nein«, sagte Simms, zog eine Schublade heraus und stützte seinen hochpolierten Schuh darauf. »Ich hatte eigentlich vor, Sie wieder in den Dienst zu stellen.«
    Shaw war verblüfft. Was, zum Teufel, ging hier vor? Eine Welle der Erregung überflutete ihn plötzlich. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Geheimdienst es nötig hat, auf abgetakelte alte Agenten aus der Müllkiste zurückzugreifen.«
    »Sie beurteilen sich zu hart, Mr. Shaw. Sie waren vielleicht der beste Mann, den der Dienst je angeworben hat. In Ihrer Zeit sind Sie geradezu zu einer Legende geworden.«
    »Und zu einem Krebsgeschwür. Deshalb hat man mich zwangsweise in den Ruhestand versetzt.«
    »Wie dem auch sei, ich habe einen Auftrag, der genau Ihren Begabungen entspricht. Er erfordert einen reifen Mann mit Köpfchen. Wir muten Ihnen keine körperlichen Anstrengungen oder gar einen Aderlaß zu. Hier geht es einzig und allein um die Fähigkeit, einer Sache mit Scharfsinn und Verstand nachzugehen. Trotz Ihrer Einwände wegen Ihres Alters bin ich überzeugt, daß Sie mit Ihrer Erfahrung genau der richtige Mann sind.«
    Shaw war verwirrt. Er hatte Mühe, Simms Worten einen Sinn abzugewinnen. »Warum ich? Sie haben bestimmt eine ganze Armee anderer Agenten, die besser qualifiziert sind. Und dann die Russen. Die schließen ihre Akten nie. Das KGB nagelt mich fest, sowie ich wieder auftauche.«
    »Wir leben jetzt in der Zeit der elektronischen Gehirne, Mr. Shaw. Abteilungsleiter sitzen nicht mehr in muffigen alten Büros und treffen eigenwillige Entschlüsse. Heute werden alle Daten für laufende Aufträge in Computer gefüttert. Und wir überlassen es ihren Gedächtnisspeichern, uns anzugeben, welcher Agent am besten qualifiziert ist. Es scheint nun, daß die Computer nicht viel von unseren gegenwärtigen Leuten halten.
    Und so haben wir eine Liste von pensionierten Agenten einprogrammiert. Ihr Name kam ganz oben raus. Was die Russen anbetrifft, so können Sie beruhigt sein. Sie werden mit ihnen nichts zu tun haben.«
    »Können Sie mir sagen, wofür ich so ideal qualifiziert bin?«
    »Als Spürhund.«
    »Und auf wen soll ich angesetzt werden, wenn nicht auf die Russen?«
    »Auf die Amerikaner.«
    Shaw schwieg, glaubte, nicht richtig gehört zu haben.
    Schließlich sagte er: »Es tut mir leid, Herr General,

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