Um Haaresbreite
hast du eigentlich vor?«
Pitt ging schweigend ein paar Schritte weiter, machte ein grimmiges Gesicht. Dann lächelte er leicht.
»Glaube mir, mein Freund, wenn ich dir sage, daß du es besser nicht weißt.«
28
Graham Humberlys Haus lag auf einem Hügel in Palos Verdes, einem Luxusvillenvorort von Los Angeles. Die Architektur war eine Mischung von Moderne und spanischkalifornis chem Stil mit roh gestrichenen Wänden und Decken, massiven Stützbalken und einem roten Ziegeldach.
Ein großer Springbrunnen sprudelte auf der Hauptterrasse inmitten eines runden Schwimmbeckens. Von dort bot sich ein Rundblick über einen riesigen Teppich von Stadtlichtern im Osten; die Rückseite des Hauses wies nach Westen, auf den Pazifik und Catalina Island hinaus.
Die Musik eines Mariachi-Orchesters und hundertfaches Stimmengewirr tönten Shaw entgegen, als er Humberlys Haus betrat. Barmänner mixten fieberhaft große Mengen von Tequila Margaritas, während die Kellner einer Stadtküche den schier endlosen Buffettisch mit pikanten mexikanischen Speisen versorgten.
Ein kleiner Mann mit einem für seine Schultern zu großen Kopf kam auf ihn zu. Er trug eine schwarze Smokingjacke, auf deren Rücken ein chinesischer Drache aufgestickt war.
»Hallo, ich bin Graham Humberly«, sagte er mit strahlendem Lächeln. »Sie sind herzlich willkommen auf unserer Party.«
»Brian Shaw.«
Das Lächeln blieb strahlend. »Ach ja, Mr. Shaw. Verzeihen Sie mir, daß ich Sie nicht gleich erkannt habe, aber unsere gemeinsamen Freunde hatten mir kein Foto geschickt.«
»Ihr Haus beeindruckt mich sehr. In England gibt es so etwas nicht.«
»Ich danke Ihnen. Aber dafür ist meine Frau zuständig. Ich hätte etwas mehr Provinzielles vorgezogen. Zum Glück hat ihr Geschmack den meinen übertroffen.«
Seinem Akzent nach, so vermutete Shaw, stammte Humberly aus Cornwall. »Ist Korvettenkapitän Milligan anwesend?«
Humberly nahm ihn beim Arm und führte ihn beiseite.
»Ja, sie ist hier«, sagte er leise. »Ich mußte sämtliche Offiziere des Schiffs einladen, um sicher zu sein, daß sie kommen würde.
Folgen Sie mir, und ich werden Sie vorstellen.«
»Ich bin kein Gesellschaftsmensch«, sagte Shaw. »Zeigen Sie sie mir, und dann übernehme ich alles andere selbst.«
»Wie Sie wollen.« Humberly warf einen Blick in die Menge.
Dann nickte er in die Richtung der Bar. »Die große, anziehende junge Dame mit dem blonden Haar und dem blauen Kleid.«
Shaw erkannte sie leicht in dem bewundernden Kreis weißuniformierter Marineoffiziere. Sie schien Mitte Dreißig zu sein und strahlte eine Wärme aus, die den meisten Frauen fehlte.
Sie nahm die ihr entgegengebrachte Aufmerksamkeit ganz natürlich und ohne jede Ziererei hin.
Auf den ersten Blick gefiel sie Shaw.
»Vielleicht kann ich Ihnen den Weg ebnen und sie von der Gruppe wegführen«, schlug Humberly vor.
»Machen Sie sich nicht die Mühe«, erwiderte Shaw. »Da fällt mit gerade ein: Hätten Sie einen Wagen, den ich mir auslernen könnte?«
»Ich habe eine ganze Flotte. Was haben Sie im Sinn? Eine Limousine mit Chauffeur?«
»Etwas Flotteres.«
Humberly überlegte einen Augenblick. »Wäre ein Rolls-Royce Corniche Cabriolet angemessen?«
»Paßt nur ausgezeichnet.«
»Sie finden ihn in der Auffahrt. Ein roter Wagen. Die Schlüssel stecken.«
»Vielen Dank.«
»Gern geschehen. Weidmannsheil.«
Humberly kehrte zu seinen Gastgeberpflichten zurück. Shaw ging auf die Bar zu, bahnte sich mit den Schultern seinen Weg zu Heidi Milligan. Ein junger blonder Leutnant warf ihm einen wütenden Blick zu.
»Für einen Opa sind Sie ziemlich aufdringlich, was?«
Shaw ignorierte ihn und lächelte Heidi zu. »Kapitän Milligan, ich bin Admiral Brian Shaw. Kann ich Sie einen Augenblick sprechen… allein?«
Heidi blickte ihn an, versuchte, ihn irgendwo unterzubringen.
Dann gab sie es auf und nickte.
»Natürlich, Herr Admiral.«
Der blonde Leutnant sah aus, als hätte er eben entdeckt, daß ihm die Hose offen stand. »Ich bitte um Verzeihung, Sir. Aber ich wußte nicht…«
Shaw schenkte ihm ein Lächeln. »Mein Junge, vergessen Sie nie, daß es sich lohnt, den Feind rechtzeitig zu erkennen.«
»Ihr Stil gefällt mir, Herr Admiral«, rief Heidi ihm durch den brausenden Fahrtwind zu.
Shaw trat das Gaspedal um einen weiteren Zentimeter herunter, und der Rolls schoß in nördlicher Richtung den San Diego Freeway entlang. Er hatte kein besonderes Ziel im Auge gehabt, als er mit Heidi die Party verließ.
Weitere Kostenlose Bücher