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Um Haaresbreite

Um Haaresbreite

Titel: Um Haaresbreite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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einen feinen Tag für Ihren Besuch gewählt. Der St. Lawrence wird uns helfen. Kein Nebel und nur leichter Wellengang. Wenn Sie mir behilflich sein wollen, können wir gleich losfahren.«
    Le Mat ging hinunter und startete die Dieselmotoren, während Pitt die Bug- und Achterleinen von den Stegklampen löste und auf dem Deck aufrollte. Das grüne Wasser der Bucht glitt fast ohne Kräusel am Rumpf vorbei, verfärbte sich langsam in ein unwirkliches Blau, als sie in die Hauptströmung kamen. Weit entfernt erhoben sich schneebedeckte Hügel hinter dem gegenüberliegenden Ufer. Sie kreuzten den Kurs eines Fischerboots, das mit seinem wöchentlichen Fang heimkehrte, und dessen Kapitän winkend auf das Tuten von Le Mats Signalhorn antwortete. Achtern ragten die Türme der malerischen Kathedrale von Rimouski auf.
    Der Wind wurde trotz der Märzsonne noch eisiger, je mehr sie sich vom Ufer entfernten, und Pitt suchte Unterschlupf in der Kajüte.
    »Eine Tasse Tee?« fragte Le Mat.
    »Gute Idee«, sagte Pitt lächelnd.
    »Die Kanne steht in der Kombüse.« Le Mat sprach, ohne sich umzudrehen, die Hände locker auf dem Steuerrad liegend, den Blick nach vorne gerichtet. »Bitte bedienen Sie sich. Ich muß nach Treibeis ausschauen. Um diese Jahreszeit ist es dichter als Fliegen auf dem Mist.«
    Pitt goß sich eine Tasse dampfenden Tees ein. Er setzte sich auf einen hohen Drehstuhl und blickte auf den Fluß hinaus. Le Mat hatte recht. Das Wasser war voller Eisschollen von der Größe des Bootes.
    »Wie war es in der Nacht, als die
Empress of Ireland
unterging?« fragte er, um das Schweigen zu brechen.
    »Klarer Himmel«, antwortete Le Mat. »Der Fluß war ruhig, das Wasser um den Gefrierpunkt, kein nennenswerter Wind. Ein paar Nebelfetzen, wie es im Frühjahr üblich ist, wenn südliche warme Luft über das kalte Wasser zieht.«
    »War die
Empress
ein gutes Schiff?«
    »Eins der besten.« Le Mat fand diese Frage naiv, beantwortete sie jedoch ernsthaft. »Wurde nach dem besten Standard der damaligen Zeit für ihre Besitzer, die
Canadian Pacific Railway,
gebaut. Sie und ihr Schwesterschiff, die
Empress of Britain,
waren erstklassige Transatlantikdampfer von vierzehntausend Tonnen und einer Länge von hundertfünfundsechzig Metern.
    Die Einrichtung war vielleicht nicht ganz so elegant wie die der
Olympic
oder der
Mauritania,
aber sie hatten sich einen guten Ruf erworben und boten ihren Passagieren auf den Überseefahrten allen Luxus.«
    »Wie ich mich erinnere, war die
Empress
von Quebec nach Liverpool unterwegs, als sie ihre letzte Reise machte.«
    »Gegen vier Uhr dreißig nachmittags hat sie die Anker gelichtet. Neun Stunden später lag sie mit eingeschlagener Steuerbordseite auf dem Flußgrund. Der Nebel hatte wieder einmal sein Opfer gefordert.«
    »Und ein Kohlenfrachter namens
Storstad.«
    Le Mat lächelte. »Sie haben Ihre Schularbeiten gemacht, Mr. Pitt. Es ist immer noch ein Rätsel, wie es zur Kollision zwischen der
Empress
und der
Storstad
kam. Die Wachen hatten einander auf acht Meilen gesichtet. Als sie nur noch zwei Meilen voneinander entfernt waren, hat sich eine dichte Nebelbank dazwischengeschoben. Kapitän Kendall von der
Empress
hat die Maschinen auf Rückwärtsgang geschaltet und sein Schiff gestoppt. Das war ein Fehler. Er hätte den Kurs weiter einhalten sollen. Die Leute im Steuerhaus der
Storstad
wurden verwirrt, als die
Empress
im Nebel verschwand. Sie glaubten, das Passagierschiff nähere sich ihnen von Backbord, während es in Wirklichkeit mit gestoppten Maschinen auf der Steuerbordseite trieb. Der erste Maat der
Storstad
befahl dem Steuermann Kurs nach rechts, und damit war die
Empress of Ireland
mit ihren Passagieren zum Tode verurteilt.«
    Le Mat hielt inne und zeigte auf eine Eisscholle von fast viertausend Quadratmetern Ausmaß.
    »Wir hatten einen besonders kalten Winter dieses Jahr. Der Fluß ist zweihundertfünfzig Kilometer stromaufwärts noch völlig eingefroren.«
    Pitt schwieg, nippte an seinem Tee.
    »Die
Storstad«,
fuhr Le Mat fort, »mit ihrer Ladung von elftausend Tonnen Kohle bohrte sich mitschiffs in die
Empress,
riß ein Loch von sieben Meter Höhe und viereinhalb Meter Breite in den Rumpf. Innerhalb von vierzehn Minuten sank die
Empress
und nahm mehr als eintausend Menschen mit.«
    »Seltsam, wie rasch das Schiff vergessen wurde«, sagte Pitt nachdenklich.
    »Ja, wenn Sie jemanden in den Staaten oder in Europa nach der
Empress
fragen, wird man Ihnen sagen, man habe nie davon gehört.

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