Um Haaresbreite
einhundertundfünfzig Millionen Dollar geliehen. Zumindest sind sie als Darlehen in die Akten eingegangen. In Wirklichkeit jedoch war es eine Vorauszahlung.«
»Da kann ich Ihnen leider nicht folgen.«
»Premierminister Herbert Asquith und König George V. trafen sich am zweiten Mai zu einer Geheimsitzung und fanden eine Lösung, die ihnen die Verzweiflung diktierte. Richard Essex, der Unterstaatssekretär unter William Jennings Bryan, und Harvey Shields, der stellvertretende Sekretär des britischen Foreign Office, arbeiteten dann ein Abkommen aus, das für kurze Zeit als der Nordamerikanische Vertrag bekannt wurde.«
»Und was war der Kern dieses Vertrages?« fragte der Präsident.
Während etwa zehn Sekunden herrschte absolutes Schweigen.
Pitt zögerte, räusperte sich dann: »Großbritannien hat Kanada für die Summe von einer Milliarde Dollar an die Vereinigten Staaten verkauft.«
Der Präsident war völlig verblüfft, konnte nicht glauben, was er da gehört hatte.
»Sagen Sie das noch einmal«, bat er.
»Wir haben Kanada für eine Milliarde Dollar gekauft.«
»Das ist absurd.«
»Aber wahr«, sagte Pitt. »Vor dem Ausbruch des Krieges zogen viele Parlamentsabgeordnete die Loyalität und Unterstützungsbereitschaft der Kolonien und Dominions ernsthaft in Zweifel. Sowohl Liberale als Konservative vertraten ganz offen die Meinung, daß Kanada nur eine Bürde für das Empire sei.«
»Können Sie mir Beweise vorlegen?« fragte der Präsident mit skeptischer Miene.
Pitt gab ihm die Kopie des Briefes von Wilson. »Das hat Woodrow Wilson am vierten Juni an Premierminister Asquith geschrieben. Sie werden feststellen, daß eine Zeile verwischt ist.
Ich habe einen spektrographischen Test vorgenommen und fand die fehlenden Worte: ›Zumal meine Landsleute sehr auf Besitz bedacht sind und sich nie und nimmer damit abfinden würden, daß ihr Traum, unseren großen Nachbarn im Norden und unser geliebtes Land vereint zu sehen, bereits beschlossen, jedoch noch nicht verwirklicht worden ist.‹«
Der Präsident schaute den Brief einige Minuten an, legte ihn dann auf den Tisch zurück. »Was haben Sie sonst noch?«
Pitt reichte ihm kommentarlos das Foto von Bryan, Essex und Shields beim Verlassen des Weißen Hauses mit dem Vertrag.
Dann spielte er seine Trumpfkarte aus.
»Das ist das Schreibtischtagebuch von Richard Essex für den Monat Mai. Der gesamte Verlauf der Konferenzen, die zum Nordamerikanischen Vertrag führten, ist bis in die kleinste Einzelheit aufgezeichnet. Die letzte Eintragung ist vom zweiundzwanzigsten Mai neunzehnhundertvierzehn datiert, dem Tage, an dem Essex nach Kanada fuhr, um die Verträge zu unterzeichnen.«
»Verträge? Gab es mehrere?«
»Drei Abschriften, eine für jedes betroffene Land. Zuerst haben Asquith und König George unterschrieben. Dann hat Shields die Dokumente nach Washington gebracht, wo Wilson und Bryan am zwanzigsten Mai ihre Unterschriften hinzufügten.
Zwei Tage später begaben sich Essex und Shields gemeinsam per Eisenbahn nach Ottawa, wo der kanadische Premierminister Sir Robert Borden als letzter unterschrieb!«
»Wie kommt es dann, daß der offizielle Zusammenschluß Kanadas mit den Staaten nicht stattfand?«
»Eine Reihe unglücklicher Umstände«, erklärte Pitt. »Harvey Shields ertrank mit tausend anderen Menschen auf dem Transatlantikschiff
Empress of Ireland,
nachdem es mit einem Kohlenfrachter zusammengestoßen und im St-Lawrence-Strom gesunken war. Seine Leiche und die britische Kopie des Vertrages wurden nie gefunden.«
»Aber wenigstens ist doch Essex mit der amerikanischen Kopie nach Washington gelangt.«
Pitt schüttelte den Kopf. »Der Zug, in dem Essex reiste, stürzte von einer Brücke in den Hudson. Dieses Unglück wurde zu einem klassischen Rätselfall, weil man weder die Mannschaft und die Passagiere, noch auch nur die geringste Spur des Zuges fand.«
»Dann bleibt immer noch die kanadische Kopie.«
»Da verliert sich die Fährte«, sagte Pitt. »Alles übrige sind Vermutungen. Es soll zu einer Rebellion in Asquiths Kabinett gekommen sein. Die Minister, und Churchill gehörte zweifellos dazu, müssen empört gewesen sein, als sie erfuhren, daß der Premierminister und der König hinter ihrem Rücken versucht hatten, das größte Dominion an Amerika zu verkaufen.«
»Die Kanadier sind bestimmt auch nicht von diesem Geschäft begeistert gewesen.«
»Da zwei Abschriften des Vertrages verschwunden waren, sollte es Sir Robert Borden übrigens
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