Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod
zu hoffen und alles zur Rettung zu tun. Wir haben großartige menschliche Persönlichkeiten kennengelernt, und es ist der größte Trost, dass Sie alles für die Rettung eingesetzt haben.
Mit großem Dank
Ihre Sylvia und Friedrich von Metzler
Magnus Gäfgen wurde am 5., 9., 13., 15. und 16. November 2002 durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. med. Leygraf vom Institut für forensische Psychiatrie der Universität Essen und den Diplom-Psychologen Klaus Elsner untersucht. »Es ergeben sich aus psychiatrischer und psychologischer Sicht keine Hinweise auf eine Beeinträchtigung oder gar Aufhebung der strafrechtlichen Schuldfähigkeit«, lautete das Ende ihrer seitenlangen schriftlichen Beurteilung, die im Januar am Landgericht Frankfurt am Main eintraf. Mit keinem Wort hatte Gäfgen während der Untersuchungen die Ankündigung unmittelbaren Zwanges auch nur angedeutet.
Gäfgen hatte dazu lediglich ausgesagt:
»Er habe gewusst, die Ruhe bekomme er nur, wenn er zum einen die Namen von Mittätern und zum anderen den Aufenthaltsort des Jakob nenne. Am anderen Morgen habe er dann gesagt, man brauche nicht mehr weiter zu suchen. Er habe den Beamten dann den Ort gezeigt, wo der Junge gelegen habe …«
Gäfgen war seit seiner Festnahme viele Male durch Kriminalbeamte, Staatsanwälte und den Haftrichter vernommen worden, überwiegend in Anwesenheit eines Rechtsanwaltes oder seines Verteidigers Dr. Endres. In keiner Vernehmung machte er auch nur die geringste Andeutung, dass er am 1. Oktober 2002 bedroht oder sonst unter Druck gesetzt worden sei. Auch gab es keinerlei Hinweise darauf, dass er in den mehrfachen Gesprächen mit seiner Mutter angedeutet hätte, dass er die Aussage über das Versteck der Leiche nicht freiwillig gemacht haben könnte.
Am 7. Dezember 2002 erschien in der Zeitung Tagesspiegel der Artikel »Die Bekenntnisse des Hochstaplers Magnus G.«. Darin heißt es:
»›Bleib ruhig, bleib doch endlich ruhig‹, flehte der Täter sein Opfer an. Dann tötete er Jakob von Metzler, duschte ihn ab und schaffte die Leiche weg. Verteidiger Ulrich Endres hat 60 Mörder vertreten. Magnus G. gibt ihm Rätsel auf. Wie wurde aus dem sensiblen Studenten ein Verbrecher?«
Im weiteren Verlauf des sehr ausführlichen Berichtes wird die Tat, aber insbesondere Gäfgens Verteidiger Endres sehr detailliert dargestellt, sein Lebenslauf, seine Fähigkeiten, sein Einfühlungsvermögen, seine Leistungen. Zwischendurch steht in dem Artikel noch der Satz:
»Dann das Verbrechen, das in seiner Trostlosigkeit seinesgleichen sucht und einen Vernehmer drohen ließ, er gehe jetzt mit Magnus auf den Flur und schlage ihm die Zähne aus.«
Und: »Wie hätte der Knirps von 1,45 Metern dem Riesen von 1,96 Metern entkommen können, den Schluchzen und letztes Japsen nicht erbarmten? G. schleppt das Geheimnis mit sich herum, das nur er sah: den flehenden ›Warum‹-Blick Jakobs, dem er mit seinen Händen das Ende bereitete. Die Augen waren nicht verbunden.«
In der 50. Kalenderwoche des Jahres 2002 gab Rechtsanwalt Endres Staatsanwalt Koch einen handgeschriebenen Brief, einen Kassiber, von Gäfgen. Der hatte am 2. Dezember seinen Anwalt gebeten, dafür zu sorgen, dass der Brief seine Freundin Marianne erreichen würde.
Staatsanwalt Koch beantragte daraufhin beim zuständigen Gericht am 17. Dezember 2002 die Beschlagnahme dieses Kassibers. In dem mehrere Seiten langen Brief schreibt Gäfgen unter anderem, er sei zu »dieser Tat und auch zu diesem falschen Geständnis gezwungen worden«.
Gäfgen konnte es nicht lassen – er log immer weiter. Auch jetzt noch versuchte er andere Leute hineinzuziehen, indem er etwa schrieb, dass es »draußen« so viele Gerüchte darüber gäbe, warum er »es« und wie er »es« getan hätte. So hieße es zum Beispiel, er hätte ein Verhältnis mit der Mutter »des Metzlers« gehabt oder eine »sexuelle Beziehung mit Franz«.
Er schien vor nichts haltzumachen und erfand sogar Gerüchte, die die ohnehin schon so leidgeprüfte Familie zusätzlich peinigten und Zweifel an seiner Schuld wecken sollten.
Am 9. Januar 2003 notierte Oberstaatsanwalt Schilling in einem Aktenvermerk, ihm seien nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub Gäfgens Kassiber und der Artikel im Tagesspiegel vom 7. Dezember 2002 vorgelegt worden:
»Insbesondere im Hinblick auf die in dem Brief aufgestellte Behauptung, der Beschuldigte sei zu einem falschen Geständnis und zu der Tat gezwungen worden, sowie im Hinblick auf die
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