Um Leben Und Tod
Daschner vorwirft. Wofür er angeklagt wird und vor den Richter muss«, schrieb die Bild -Zeitung am 20. Februar 2004. Das Interesse der Medien sei riesig, sogar international. Es hatten sich so viele Journalisten und Kamerateams angemeldet, dass der normale Raum nicht ausreiche; die Staatsanwaltschaft sei deshalb in den gröÃten Saal im ganzen Gerichtsviertel ausgewichen. Bereits eine Stunde später teilte die Pressestelle des Hessischen Innenministeriums mit: »Wolfgang Daschner mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben als Frankfurter Polizeivizepräsident entbunden.« Er sei ins Landespolizeipräsidium nach Wiesbaden abgeordnet worden und werde dort bis auf weiteres »verwaltungsinterne Aufgaben« übernehmen. »Jetzt jagt er Schwarzarbeiter«, schrieb Bild dazu (21.04.2004).
Daschner wurde öffentlich, ich polizeiintern demontiert. Ich durfte bis auf weiteres keine strafprozessual relevanten MaÃnahmen mehr durchführen.
»Die Vorwürfe sind abwegig«, erklärte der ehemalige Verfassungsrichter und Abgeordnete des Deutschen Bundestages Jürgen Gehb: »Was für ein Aufschrei wäre durch die Republik gegangen, wenn das Entführungsopfer noch am Leben gewesen und nur deshalb erstickt oder verdurstet wäre, weil es die ermittelnden Beamten unterlassen hätten, Druck auf den Tatverdächtigen auszuüben.« ( Bild , 24.02.2004)
Am 21. Juni 2004 beschlossen die Richter der 27. GroÃen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main, die Anklage der Staatsanwaltschaft zur Hauptverhandlung zuzulassen. Gleichzeitig wurde der Antrag der Verteidigung, den Frankfurter Polizeipräsidenten Harald Weiss-Bollandt und den für die Entführungsfälle Johannes E. und Nina von G. verantwortlichen Leiter der Kriminalpolizei Köln als Zeugen zu vernehmen, zurückgewiesen; ihre Aussagen, die uns entlastet hätten, waren offenbar unerwünscht.
In den Fluren und in der Kantine des Frankfurter Justizgebäudes war schon jetzt, Monate vor der Eröffnung der Hauptverhandlung, die Rede von einem »salomonischen Urteil«: Die Angeklagten werden bestraft, damit gegenüber aller Welt dokumentiert wird, dass in Deutschland nicht gefoltert werden darf. Andererseits soll das Urteil unter Berücksichtigung der besonderen Situation so milde ausfallen, dass sich der Zorn des Volkes, in dessen Namen es gesprochen werden soll, in Grenzen hält und dass es von den Angeklagten hingenommen wird.
Rechtzeitig vor Beginn der Hauptverhandlung meldete sich die hohe Politik zu Wort. Am 15. November 2004 berichtete Bild :
»Wenn am Donnerstag der Prozess gegen Wolfgang Daschner eröffnet wird, schauen Politiker, Juristen und Journalisten aus aller Welt nach Frankfurt.
Selbst die UNO hat sich aus New York eingeschaltet. Nachdem Menschenrechtler von Amnesty International schon gegen Daschners Vorgehen heftigst protestiert hatten, meldete sich jetzt auch die Menschenrechts-Kommission der UNO. In einem Schreiben an die Bundesregierung in Berlin bat sie um Aufklärung, was es mit den Folter-Vorwürfen gegen Deutschland auf sich habe. Besonders mit dem Fall in Frankfurt/Main, wo die Polizei in einen solchen Fall verwickelt sei. Das Berliner Ministerium informierte die Frankfurter Staatsanwaltschaft davon. Mit der Aufforderung zur schnellen Stellungnahme, die man an die neue UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, die Kanadierin Louise Arbour, weiterleiten will. Und auch mit dem klaren Hinweis, dass die Ankläger alles sehr, sehr genau prüfen sollen. SchlieÃlich dürfe sich Deutschland, das Folter und andere Menschenrechtsverletzungen weltweit anprangert, keinen solch schlimmen Ruf leisten.«
Damit war für mich klar, dass aus dem Versuch, das Leben eines Kindes zu retten, endgültig ein politischer Prozess geworden war und wir nicht mehr mit einem objektiven Verfahren zu rechnen hatten.
Die Hauptverhandlung vor der 27. GroÃen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main begann am Donnerstag, dem 18. November 2004, um 9.30 Uhr. Bereits zwei Stunden zuvor hatte ein Team der ARD vor dem Eingang Stellung bezogen, »der Kameramann sich die beste Position ergattert«. Daschners Wohnung wurde seit 6 Uhr von Reportern der Bild -Zeitung belagert. Gegen 9 Uhr war die Zahl der Teams auf 13 angewachsen, und Dutzende Journalisten aus Deutschland, Ãsterreich und der Schweiz warteten auf den »Prozess des Jahres«; insgesamt 54 hatten sich
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