Um Leben Und Tod
Anklägers: »Staatsanwalt Wilhelm Möllers scheint zur Milde bereit.« Daschner müsse lediglich ein: »Es tut mir leid, ich habe einen Fehler gemacht, aber versetzen Sie sich doch mal in meine damalige Lage«, über die Lippen bringen. Bild wisse: »Bei einem entsprechenden Satz spielt die Staatsanwaltschaft mit. Stimmt der sofortigen Einstellung des Verfahrens gegen eine GeldbuÃe zu. Der Prozess wäre sofort zu Ende â und Daschner nicht vorbestraft.« Wenn er es aber auf ein Urteil ankommen lasse und dies beispielsweise nur »Geldstrafe auf Bewährung« heiÃe, dann gelte er als vorbestraft. Und das könnte ihm durch ein folgendes Disziplinarverfahren des Innenministeriums groÃe berufliche Probleme (damit auch bei der Pension) bereiten.
Eine zweite öffentliche Aufforderung zu einem Kniefall vor einem gewissenlosen Mörder?
Nein, wir waren nicht bereit zu sagen: »Es war ein Fehler, zu versuchen, das Leben des entführten Kindes zu retten.«
Am dritten Verhandlungstag, dem 2. Dezember 2004, stellte sich erstmals ein hochrangiger Polizeibeamter hinter Daschner. Abteilungsdirektor Wolfram Ritter sagte: »Ich war ihm sehr dankbar, dass er so entschieden hat.« Ihm sei zwar klar gewesen, dass das Gesetz keine Gewaltandrohung hergebe, sein Gewissen habe ihm aber etwas anderes gesagt. »Ich war nicht bereit, das Leben des Jakob von Metzler dem Belieben des Herrn Gäfgen zu überlassen.« Daschner habe ihm »die Riesenlast der Entscheidung abgenommen, vielleicht mit einem toten Kind leben zu müssen, weil ich nicht den Mut hatte, zu Potte zu kommen, um ein Menschenleben zu retten, sonst würde ich vielleicht heute hier sitzen«. Die Kammervorsitzende belehrte ihn daraufhin, »dass er sich nicht selbst belasten müsse«. Allerdings hatte auch Ritter, falsch beraten durch Polizeiführer und Führungsstab, den engen Zeitrahmen nicht erkannt. Der Polizeipsychologe Stefan S. blieb bei seiner Aussage, dass er eine Bedrohung Gäfgens »auch aus taktischen Gründen abgelehnt« habe: »Eine Androhung könnte dazu führen, dass er ausflüchtet und was sagt, was für uns schwierig zu überprüfen ist.« Dabei hätte Stefan S. doch längst erkannt haben müssen, dass seine Einschätzung durch die nachfolgende Realität widerlegt und damit falsch gewesen war. Als letzter Zeuge schilderte der Kriminalbeamte Korn die Verfassung Gäfgens nach dem strittigen Verhör, als er die Landkarte brachte: »Er wirkte nicht besonders eingeschüchtert, eher im Gegenteil: Wir unterhielten uns und er log.«
Zum Abschluss der Beweisaufnahme am 6. Dezember 2004 schilderte ich noch einmal in Kurzfassung mein Gespräch mit Gäfgen und machte dabei deutlich, dass ich die Information über den Ablageort der Leiche ausschlieÃlich durch meine eindringlichen Appelle und durch das Fragenbombardement erreicht hatte. Gäfgen wollte nur endlich Ruhe haben, deshalb habe er ausgesagt.
Zuvor hatte Daschner erklärt, dass er die Androhung unmittelbaren Zwanges in dieser Ausnahmesituation für gerechtfertigt gehalten habe und weiterhin halte. Ziel dieser als »Ultima Ratio« und »absolute Ausnahme« bezeichneten MaÃnahme sei einzig und allein gewesen, das Leben des entführten Kindes Jakob von Metzler zu retten. Er bezog sich auf zwei ihm bekannte Parallelfälle aus Nordrhein-Westfalen, bei denen die Staatsanwaltschaft gebilligt habe, dass einem Verdächtigen notfalls Schmerzen zugefügt würden. Bei einer Kindesentführung in Bremen sei das Opfer nur durch Zwangsanwendung gerettet worden, gegen den verantwortlichen Polizeibeamten sei kein Verfahren eingeleitet worden!
Am 9. Dezember 2004 veröffentlichte der Mainzer Strafrechtslehrer Prof. Dr. Volker Erb einen Artikel in der Zeit : »Nicht Folter, sondern Nothilfe. Wolfgang Daschner wollte den entführten Jakob von Metzler retten. Dafür verdient er den Schutz des Staates.«
Wer einen anderen Menschen entführe, schaffe eine Notwehrlage, die so lange andauere wie der Freiheitsentzug des Opfers. In dieser Situation erlaube § 32 des Strafgesetzbuches grundsätzlich jedes Vorgehen gegenüber dem Entführer als »Angreifer«, das zur Abwendung des Angriffs (also zur Befreiung des Opfers) »erforderlich« sei.
Er führte weiter aus, wer das Notwehrrecht in dieser Situation verneine, bringe das Recht in eine Frontstellung
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