Um Leben Und Tod
hätte durchgeführt werden können, wäre Jakobs Lebensuhr längst abgelaufen gewesen! Keine Frage nach den realistischen Erfolgsaussichten dieser MaÃnahmen, nachdem die Gegenüberstellung mit der Mutter Gäfgens und deren eindringlicher Appell an ihn, die Wahrheit zu sagen, ohne jede Wirkung geblieben waren. Ãbrigens hatten wir später erfahren, dass Familie von Metzler dankbar war, dass ihre Tochter Elena nicht mit dem Mörder ihres Bruders konfrontiert worden war. Die psychischen Konsequenzen wären nicht absehbar gewesen.
Und darüber hinaus hatte Edwin F. in der Nacht zuvor Elena und ihren Bruder wieder nach Hause geschickt, ohne die bereits vorbereitete Konfrontation mit Gäfgen durchzuführen, die er angeblich doch für so wichtig und erfolgversprechend hielt. Auch das wurde nicht erwähnt.
Es war die letzte Chance für Magnus Gäfgen. Die allerletzte Gelegenheit, ein wenig von dem Stigma loszuwerden, das ihm seit seiner grauenvollen Tat anhaftet. Er hätte nur sagen müssen: Ich, ich alleine habe gefoltert. Ein Kind nämlich und seine Familie. Ich habe diese Familie tagelang mit meinen Lügen, mit falscher Hoffnung gequält. Dagegen wiegt der GesetzesverstoÃ, den man Herrn Daschner und dem Kriminalbeamten E. hier vorwirft, nichts. Ich bin es, der nicht wiedergutzumachendes Unrecht begangen hat, nicht die Polizisten. Er schafft es nicht.
(aus: »Daschners Sündenfall« von Gisela Friedrichsen â Der Spiegel 49/2004)
Gisela Friedrichsen hat geschrieben, was ich empfinde. Daschner und ich, die Polizisten, die Jakob retten wollten, saÃen auf der Anklagebank, Jakobs Mörder war Zeuge der Anklage und durfte seine Folter-Lügengeschichte ausführen.
Am Donnerstag, dem 25. November 2004, war der Auftritt des Zeugen der Anklage, des Mörders Magnus Gäfgen, begleitet von seinem Rechtsbeistand Hans Ulrich Endres. 17 Minuten dauerte sein Monolog.
»Wir können alles mit dir machen«, mit diesen Worten soll ich ihn unter Druck gesetzt haben; mit »nie gekannten Schmerzen«, der »Vergewaltigung durch Mitgefangene (zwei groÃen, fetten Negern)« und sogar mit dem Tod sei ihm gedroht worden. Ein Spezialist, der ihm »ungeahnte Schmerzen« zufügen könne, ohne Spuren zu hinterlassen, sei bereits mit einem Hubschrauber ins Polizeipräsidium unterwegs.
Sein Schauermärchen wurde durch eine neue Variante bereichert:
Eine Anspielung darauf, dass bei einem Flug mit ihm im Hubschrauber auch viel passieren könnte. »Ich hatte dermaÃen Angst, dass ich gesagt habe, wo die Leiche ist, und es auch auf der Karte gezeigt habe«, schilderte er seine Verfassung nach dieser Drohung am vierten Tag der Entführung, »ich hatte wirklich Angst, da nicht mehr lebend rauszukommen«. Geschüttelt soll ich ihn haben, auch einmal mit der flachen Hand geschlagen, um den Aufenthaltsort des entführten Kindes herauszufinden.
Mein Verteidiger Prof. Dr. Lutz Simon fragte Gäfgen, ob es zutreffe, dass er bewusst der Wahrheit zuwider
âbehauptet habe, dass die Polizei bei seiner Festnahme auf sein Auto bzw. auf seine Reifen geschossen, ihn und seine Freundin aus dem Auto gezerrt, ihn geschlagen, die Stiefel auf seine Nase gesetzt und ihn angeschrien habe, wo der Junge sei?
âin seiner Vernehmung vor der Polizei erklärt habe, er habe mit der Entführung nichts zu tun?
âausgesagt habe, ein Unbekannter habe ihn angesprochen, gegen die Zahlung von 20 000 Euro das Geld beziehungsweise zwei Tüten abzuholen?
âauf dem Zettel mit drei Fragen des vernehmenden Beamten Bernd Mohn angekreuzt habe, dass der Junge noch lebe, aber unter Bewachung stehe, obwohl er gewusst habe, dass das Kind bereits tot war?
ânach einem Gespräch mit seinem Rechtsanwalt vorgegeben habe, zu Angaben zum Aufenthaltsort bereit zu sein, dabei aber behauptet habe, das Kind sei am Langener Waldsee?
ânach intensivem und insistierendem Befragen des KHK Mohn die Brüder B. [Name geändert] fälschlich beschuldigt habe, Jakob von Metzler geholt zu haben, in einer Hütte gefangen zu halten und ihn zu bewachen?
âseiner Mutter gegenüber geäuÃert zu haben, er werde unter Druck gesetzt?
ânach dem Auffinden der Leiche und wiederholten Befragungen Klaus H. [Name geändert] als Drahtzieher und Hintermann der Erpressung genannt habe?
âam Nachmittag nach dem Auffinden der Leiche gegenüber
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