Um Leben Und Tod
können«, für ausreichend ( Frankfurter Rundschau , 27.10.2003).
Selbst bei den Frankfurter Justizbehörden scheint diese Rechtslage â auÃer im Entführungsfall Jakob von Metzler â unstrittig gewesen zu sein. So sprachen sie einen Kriminalbeamten frei, der 2004 in Notwehr zwei Männer erschossen hatte.
War kein rechtfertigender Notstand gegeben?
Nach Auffassung der 27. GroÃen Strafkammer war auch der Rechtfertigungsgrund des § 34 StGB nicht anzuwenden, weil die Ankündigung unmittelbaren Zwanges kein »angemessenes Mittel« im Sinne dieser Vorschrift gewesen sei, »denn sie verstieà gegen Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes«.
Die Richter verstieÃen selbst gegen dieses Grundrecht, weil sie dem entführten Kind Jakob von Metzler den »Schutz« seiner Menschenwürde verweigerten.
Sie verkannten ferner, dass sich die Pflicht zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde an »alle staatliche Gewalt« richtet, nicht aber an den privatrechtlich handelnden Bürger, der von seinen Rechten und Pflichten der Notwehr Gebrauch macht oder in einem (rechtfertigenden oder entschuldigenden) Notstand handelt.
Nach § 34 StGB handelt nicht rechtswidrig, wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden. Voraussetzung ist, dass »bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt«, und dass die Tat ein »angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden«.
Mit anderen Worten: Man darf nicht mit Kanonen auf Spatzen schieÃen!
Bei der Entführung des Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz im Jahr 1975 wurde die Freilassung der RAF-Häftlinge Rolf Pohle, Ingrid Siepmann u. a. mit dem rechtfertigenden Notstand des § 34 StGB begründet. Die Freilassung erfüllte den Tatbestand der vorsätzlichen Gefangenenbefreiung nach § 120 StGB, der in seiner qualifizierten Form mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht ist.
Es sei mit höchster Wahrscheinlichkeit davon auszugehen gewesen, dass die Entführer Peter Lorenz töten würden, sollte ihre Freilassungsforderung nicht fristgerecht erfüllt werden. Dass die Gefahr für die Geisel keine Augenblicks-, sondern eine sogenannte Dauergefahr war, sei unerheblich; denn auch eine Dauergefahr sei »gegenwärtig«, wenn feststehe, dass dem Schaden nur durch sofortiges Handeln wirksam begegnet werden könne, auch wenn er noch nicht unmittelbar bevorstehe.
Die Gefahr habe nicht anders abgewendet werden können, »weil es keine hinreichend erfolgversprechende Möglichkeit zur Rettung des Entführten gab als die Freilassung der Häftlinge«.
Wenn aber die Freilassung mehrerer terroristischer Strafgefangener zum Schutz des menschlichen Lebens zulässig ist, kann dann die Ankündigung unmittelbaren Zwanges gegen den Täter mit demselben Schutzzweck verboten sein?
Wurde zumindest der entschuldigende Notstand in Erwägung gezogen?
Mit dem Notstand des § 35 StGB und dem »übergesetzlichen« Notstand, die zumindest als Entschuldigungsgründe (hilfsweise) zu prüfen waren, haben sich unsere Richter überhaupt nicht befasst: »Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld.« Wenn einem Polizeibeamten, in dessen Hand allein das Leben eines Entführungsopfers liegt, eine Garantenpflicht übertragen wird, dann handelt es sich bei diesem Opfer um eine »ihm nahestehende Person« im Sinne des § 35 StGB.
Auch der »übergesetzliche Notstand« kam also als Entschuldigungsgrund in Betracht.
Ein Schuldminderungsgrund wäre demnach zu suchen »⦠in der vergleichsweise ebenso starken motivatorischen Kraft der Gewissensentscheidung eines Täters, der sich zum Handeln entschlieÃt, weil er sich auch dann in schwerste sittliche Schuld verstricken müsste, wenn er den Dingen einfach ihren Lauf lieÃe. Die Grundstruktur dieser Notstandsfälle entspricht insofern mithin der beim entschuldigenden Notstand â¦,
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