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Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Titel: Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samy Molcho
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das sind Arbeit und Spiel.

    Die junge Dame auf unserem Bild hat sich gleich doppelt gewappnet. Ihre Lektüre macht sie der Umwelt gegenüber blind und die Kopfhörer machen sie taub.

    Der junge Mann schirmt sich von seiner Umgebung ab und widmet sich der Musik und den Texten, die seiner inneren Empfindung entsprechen.

Das Ich und die anderen
    So klug wir sein mögen, wir sind doch immer abhängig von der Außenwelt. Da geht es zunächst um diese wunderbare Verbindung von uns Menschen mit der Natur. Auf meinen Seminaren zur Körpersprache begegne ich gelegentlich dem einen oder anderen etwas selbstherrlichen Manager, der meint, er brauche im Grunde nur sich und sonst gar nichts und gar niemanden. Ich versuche dann, diesem Irrtum abzuhelfen, indem ich erkläre, er sei zum Beispiel von einer Tomate abhängig. Auf seinen erstaunten Blick antworte ich gern: »Tut mir leid, dein Körper kann keine eigenen Vitamine produzieren. Das heißt, du bist abhängig von der Nahrung, die du zu dir nimmst. Du bist abhängig von einem Schutz gegen Kälte und Hitze. Und genauso abhängig bist du von deinen Mitarbeitern.«
    Mit diesen ganz einfachen Abhängigkeiten beginnt der Konflikt. Denn je zahlreicher sie werden, umso mehr scheinen wir von unserem eigenen Selbst zu verlieren, und das missfällt uns. Die Natur aber hat vorgesorgt, indem sie uns die Instinkte mitgegeben hat, die uns in Bewegung setzen, um Kontakt mit der Außenwelt aufzunehmen. Gefühl und Gehirn sind gleichermaßen betroffen. Es sind psychisch-physische Systeme, die hier wirken. Hunger- und Durstgefühle lösen ebenso wie das Schutzbedürfnis vor Kälte und Hitze die bekannten Urinstinkte aus, die unser Gefühl und Gehirn in Bewegung setzen und unsere Neugier wecken. Solche Bedürfnisse stimulieren grundsätzlich unsere Gefühle, die wiederum unser Gehirn dazu bestimmen, Chancen und Gefahren abzuwägen, diese Bedürfnisse zu stillen.
    Auch der Schlaf gehört zu den Grundbedürfnissen jeder Kreatur. Durch die während der Schlafphase gewonnene Distanz zu anderen regenerieren wir uns und sammeln Kraft für neue Aktivitäten, bei denen wir diese Distanz wieder verringern.
    Die Neugier, einer der wichtigsten Instinkte, die uns von der Natur mitgegeben sind, wirkt so stark, dass sie uns beinahe dazu zwingt, Optionen zu suchen, Neues zu entdecken. Kaum ist sie geweckt, schon bewegen sich
unsere Augen auf der Suche nach Neuem, der Körper neigt sich nach vorn, und andere angeborene Instinkte wie der Gefahr- oder Angstinstinkt werden von der Neugier überdeckt. Sie hilft uns dabei, Angst zu überwinden, und bringt uns dazu, Gefahren in Kauf zu nehmen oder gar zu unterschätzen. Wäre unsere starke Neugier nicht in der Lage, Angst zu überwinden, säßen wir heute noch auf den Bäumen. Alle Entdeckungen der Menschheit haben mit der Neugier zu tun, denn sie ist die Kraft, die uns vorwärtsdrängt. Der Mut, trotz aller Gefahren dem Neuen auf der Spur zu bleiben, gründet in diesem Impuls. Deshalb forschen wir weiter und greifen nach den Sternen. Wir können gar nicht anders.

Das Wechselspiel von Zuwendung und Abwendung
    Zuwendung entsteht aus dem Wunsch des Menschen, seine Bedürfnisse zu befriedigen. Davon ist unsere Suche nach Nähe bestimmt. Solche Nähe erweckt Gefühle der Freude und Zufriedenheit, was uns veranlasst, möglichst lange in ihr zu verharren, um uns den Genuss dieses Zustandes zu erhalten. Das geht natürlich nur so lange gut, wie die Quelle unserer Zufriedenheit sprudelt. Sobald sie versiegt, werden wir uns abwenden und statt der Nähe die Distanz suchen. Dies gilt immer dann, wenn unser Bedürfnis gestillt ist. Sind wir vom Essen satt geworden, ziehen wir uns zurück oder lehnen uns gegen die Stuhllehne, also weg vom Tisch. Sogar nach dem Liebesakt zieht sich jeder in sich zurück, selbst wenn die beiden Partner noch miteinander kuscheln.
    Diese Abwendung nach erlebtem Genuss gehört zu den natürlichen Instinkten, da unterscheiden wir uns nicht von den Tieren. Auch in unseren komplexen sozialen Beziehungen geschieht es immerzu: Wir wenden uns ab von Freunden, von Partnern, von unserer Arbeit, und folgen einem plötzlichen oder lange gehegten Wunsch nach Distanz. Es ist der Wunsch, zum eigenen Ich zurückzukehren und auf die Suche zu gehen nach neuer Stimulanz.
    Eltern, die versuchen, ihrem Kind spielerisch etwas beizubringen, beispielsweise mit einem Puzzle oder etwas Ähnlichem, werden oft damit konfrontiert, dass der hoffnungsvolle Sprössling nach

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