Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz
persönlichen Raum eines anderen zu respektieren, sei es, um sich selbst den eigenen Freiraum zu bewahren. Im Bus, im Zugabteil und wenn möglich auch im Flugzeug blockieren wir den Nachbarplatz mit Taschen oder Mänteln, damit uns niemand zu nahe kommt.
Ganz zu vermeiden ist unerwünschte Nähe im öffentlichen Raum gewiss nicht. Es gibt auch Länder und Regionen, in denen die Menschen die Nähe brauchen und suchen. Für unsere Breiten gilt das nicht. Es gibt aber auch eine gewisse Technik, auf engem Raum, beispielsweise im Lift oder im überfüllten Bus, sich eine Art Pseudodistanz zu verschaffen, wenn mir daran liegt zu signalisieren, dass ich trotz physischer Nähe nicht bereit bin, meine persönliche Distanz aufzugeben. Das Wichtigste dabei ist, jeden Blickkontakt zu vermeiden, denn wer mich ansprechen will, wird zunächst meinen Blick suchen - und das bestimmt mehrfach. Schaue ich gar nicht auf, prallt der Blick ab. Ein gleichgültiger Gesichtsausdruck und eingeschränkte Bewegungen können ein Übriges tun. Ein ausdrucksvolles Gesicht dagegen zeigt Bewegung, und Bewegung reflektiert Gefühl, und Gefühle wiederum signalisieren Zugänglichkeit. Dabei kann es passieren, dass jemand, der seine Ruhe haben will, ein Buch in die Hand nimmt und zu lesen beginnt, um damit seinen Wunsch nach Distanz zu demonstrieren, durch seine Reaktion auf das Gelesene - etwa Lachen - den anderen geradezu dazu einlädt, seine Annäherungsversuche zu erneuern. Wer keine Annäherung wünscht, verhält sich am besten ganz still, so als wäre er gar nicht vorhanden. Japaner beispielsweise, die an sich ausgesprochen kommunikativ sind, schließen in diesem Fall einfach die Augen.
Jeder in der Gruppe verfügt über einen Freiraum um sich herum. Eine lockere Sitzordnung stärkt die Aufnahmebereitschaft der Mitarbeiter.
Konferenzsituationen: Nur der Chef verfügt über Bewegungsspielraum, da er am Kopfende des Tisches sitzt. Einerseits schafft die enge Sitzordnung der Mitarbeiter eine Art Wir-Gefühl, gleichzeitig engt sie den individuellen Freiraum des Einzelnen ein.
Der Mitarbeiter in der Mitte ist eingeengt, was auch auf seine Psyche oder jedenfalls seine Stimmung einwirkt. Die Mitarbeiter auf den Flügelpositionen schaffen nur durch Zuwendung des Körpers zur Mitte eine Intention der Kreisbildung, um nicht ausgeschlossen zu sein.
Der Mitarbeiter in der Mitte verschafft sich Raum, da er sich mit beiden Händen von den Kollegen an seiner Seite abgrenzt.
Will ich dagegen Kontakt aufnehmen, werde ich mich durch die Zuwendung meines Mittelkörpers öffnen, werde lächeln und Augenkontakt suchen. Damit ermutige ich mein Gegenüber zur Kontaktaufnahme und zum Gespräch. Allerdings sollten meine Signale nicht zu intensiv ausfallen, um den anderen nicht einzuschüchtern oder meinerseits aufdringlich zu erscheinen.
Wie man das Bedürfnis nach Distanz auf die Spitze treiben kann, zeigt dieses japanische Foto. Die junge Frau auf der einen und der junge Mann auf der anderen Seite sind so weit auseinander gerückt, dass ein Zusammenkommen unmöglich erscheint. Aber da zeigt sich ein Widerspruch: Die Überschlagsrichtung der Beine weist nämlich auf gegenseitige Offenheit. Hätten die beiden die Zeitung weggelegt und Blickkontakt miteinander, stünden die Zeichen deutlich auf Annäherung.
Er berührt die Kollegin an ihrem Handgelenk. Sie zieht die Hand aber nicht zurück und hält auch den Augenkontakt mit ihm aufrecht. Die Nähe wird positiv angenommen.
Menschen brauchen Phasen des Alleinseins, in denen sie ganz für sich sein können. Unter ständiger Beobachtung zu stehen, wie Gefangene in ihrer Zelle, die selbst bei den intimsten Verrichtungen beobachtet werden oder jedenfalls beobachtet werden können, führt zu großen Irritationen und starken Angst- und Stresssymptomen. Es gleicht einer Folterung. Bei Verhören steht der Mensch nicht nur unter ständiger Beobachtung, er ist auch den Annäherungen der Verhörenden ausgesetzt. Er kann nicht wissen, wie weit sie gehen werden, und im schlimmsten Fall bricht er zusammen, und zwar nicht, weil man ihn geschlagen hätte, sondern weil er den Druck der Ungewissheit und der ständigen Verfügbarkeit nicht aushalten kann.
Ihre rechte Hand schirmt ihre rechte Seite ab, und das übergeschlagene linke Bein ihre linke. Sie will mit ihren Gedanken allein gelassen werden.
Wir empfinden ungefragte Nähe ja schon im ganz zivilen Leben als Bedrohung. Ich habe schon erwähnt, dass der angemessene
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