Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz
ausdauernd reden, verraten damit ein starkes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und menschlicher Nähe. Der eine sucht die Umarmung, der andere sucht den nahen Kontakt in Küsschen, die nicht der erotischen Stimulanz dienen sollen, sondern als Liebesbeweis. Beim Spaziergang hält man sich an den Händen, um die innere Verbundenheit
zu spüren, und wie gern wird gekuschelt, um das Gefühl zu wecken und zu empfinden, versorgt, geschützt und geliebt zu sein. Manchmal kann ein lange andauernder Blickkontakt die physische Berührung ersetzen. Ist uns auch dies etwa durch die geografische Entfernung versagt, müssen lange Telefongespräche die Nähe vermitteln. Zeit ist kostbare Ware. Je mehr wir bereit sind, davon dem Partner zu schenken, umso wichtiger ist er uns. Kleine Geschenke symbolisieren die Gedanken und die Zeit, die wir dem anderen trotz der physischen Entfernung widmen.
Wenn das kleine »Ich« zu einem großen »Wir« wird - Partnerschaften
Jedes Ich ist ein System in sich. Ein System besteht, wie wir alle wissen, aus mehreren Teilen, die miteinander kommunizieren und gemeinsam eine Ganzheit errichten. Diese Ganzheit wiederum hat Bedürfnisse, die sie nach ihrem Verständnis von Selbsterhaltung ausrichtet. Dazu gehört in jedem Fall Nahrung in einfachster Form, aber auch Vermehrung und Sexualität, und natürlich ist zur Selbsterhaltung auch die Anerkennung innerhalb der Gruppe ausschlaggebend. Genauso wie ich es mit dem Beispiel der Entstehung von Wasser geschildert habe, wenn sich also zwei Elemente zu einem neuen vereinen, genauso ist es in einem System. Ein Paar, das sich zusammentut, bildet jenes neue größere Ich, das sich aus den beiden kleineren Ichs gebildet hat, und die neue Verbindung schafft sich um seiner Selbsterhaltung willen neue Gesetze, die den veränderten Bedürfnissen entsprechen. Die Sache wird hier etwas kompliziert, weil wir es bei diesem größeren Ich mit zwei kleineren Ichs zu tun haben, die in ihrem jeweilig ursprünglichen System keineswegs immer dieselben Bedürfnisse hatten. Um das Gesamtsystem »Wir« oder »Paar« zu errichten, müssen die Einzelbedürfnisse der beiden kleinen Ichs synchronisiert werden. Das Neue, nennen wir es einmal das »Übersystem«, wird, um als ein eigenes System akzeptiert zu werden, den Kontakt zu außerhalb seiner selbst existierenden Systeme aufnehmen. Nun trifft es auf gesellschaftliche Spielregeln. Was heute nicht mehr gilt, war in früheren Zeiten (und die sind noch nicht gar so lange her) unumstößliche Voraussetzung dafür, in einer Beziehung zwischen Mann und Frau leben zu können: Die Anerkennung der Verbindung durch die Gesellschaft, und zwar durch Heirat. Die legitimierende Autorität mochte Kirche, Staat oder Gemeinschaft heißen, ihrem Anspruch jedenfalls war kaum zu entgehen. Wer sich der Form unterwarf, den erwarteten gewisse Rechte, gesellschaftliche Anerkennung war ihnen im Voraus sicher. Aber sogar mehr als das. Man könnte beinahe behaupten, der Staat erzwänge die Ehe auch heute noch durch die Gewährung von Vorteilen in Form von Steuererleichterungen,
Prämien und was es da sonst noch gibt. Das galt bis vor Kurzem ausschließlich für verheiratete Paare. Heute werden in steigendem Maß Paare auch als solche anerkannt, selbst wenn sie keine Heiratsurkunde vorweisen können. Der Staat, so meine ich, begünstigt nach wie vor die hergebrachte Ehe und bestraft alle anderen Paare, ganz abgesehen von den Alleinstehenden. Das beginnt beim Erbrecht und setzt sich in unzähligen anderen Gesetzen fort, mit denen die gesetzlich verheirateten Paare einen Vorteil erhalten, die übrigen »Gesetzesbrecher« aber bestraft werden, weil sie es wagen, eine Partnerschaft oder eine Familie zu begründen, ganz ohne die staatliche Autorität gefragt zu haben. Natürlich sichert sich der Staat durch seine Familiengesetze die Macht über die gesellschaftliche Formation eines Landes.
Der Austausch eines frischgebackenen Paares mit der Außenwelt und ihren Spielregeln konfrontiert es mit einem in der Vorstellung fast idealen Muster des Zusammenlebens, das um der gesellschaftlichen Akzeptanz willen meistens angenommen wird, auch wenn es nicht immer gefällt. Weicht das Paar von diesen Regeln ab, distanziert sich die Gruppe oder der Staat, weil ihre Erwartungen nicht erfüllt werden.
Die Frage nach dem Zusammenhalt jenes größeren Ich aus den beiden ursprünglichen einzeln bestehenden Teilen erweitert sich natürlich von dem Augenblick an, in dem ein oder
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