Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz
zu einer Dimension aufgeblasen, die in der Realität überhaupt nicht gegeben ist. Ausschlaggebend ist wieder einmal allein die Bedeutung, die wir einer Sache zumessen, und nicht das reale Ereignis. Hier zeigt sich, wie schnell der Konflikt zwischen dem Wunsch nach Nähe und dem Bedürfnis nach Distanz eskaliert, wenn die Synchronisierung und Symmetrie zwischen Partnern verloren gegangen ist oder die Toleranz fehlt, dem anderen einen Freiraum zu gewähren, wenn er ihn braucht oder zu benötigen glaubt, ohne sein momentanes Verlangen auf mich selbst zu beziehen. Es darf eben nicht heißen: »Distanziert sich mein Partner, distanziert er sich von mir.« Stattdessen sollte die Tatsache, dass jeder auch einmal Raum für sich selbst braucht, akzeptiert werden, und es wäre klug, sich Gedanken darüber zu machen, was inzwischen mit dem eigenen Ich anzufangen wäre, so lange, bis der Partner sich ganz von selbst wieder bei uns einfindet. Ihm seinen Wunsch nach Distanz freiwillig zu gewähren, ist mit Sicherheit der goldene Weg aus dem sich anbahnenden Konflikt. Ihn zu gehen, fällt nicht leicht. Umso mehr werden wir das Zusammensein mit dem Partner oder der Partnerin genießen, wenn wir ihn oder sie dann wieder ungeteilt für uns haben: Freiwillig und auch wieder ganz er selbst und vielleicht sogar in dem Bewusstsein, dass er unsere Hilfe braucht.
Je mehr gemeinsame Interessen, gemeinsame Hobbys und gemeinsame Aktionen wir finden, je mehr gemeinsame Erlebnisse ein Paar oder eine
Gruppe miteinander hat, umso enger werden sie sich miteinander verbinden. Gefühle, die nicht aktiviert werden, schaffen keine Erlebnisse.
Eines lässt sich mit Bestimmtheit feststellen: Keine Distanz kann ohne Brücken überwunden werden! Brücken zu bauen, gehört zu den wichtigsten Herausforderungen der Partnerschaft und auch Kindererziehung. Es müssen nicht immer steinerne Brücken sein, manchmal genügen auch Hängebrücken, selbst wenn sie, wörtlich genommen, gelegentlich ein wenig durchhängen oder auf wackeligen Stützen stehen. Wichtig ist nur, dass sie immer noch über die Distanz hinweghelfen.
Eros ist der stärkste Trieb, die Nähe und mehr noch, die Bindung an den Partner zu suchen. Eros ist auch das stärkste Klebemittel, zumindest am Anfang, das uns aneinander festhalten lässt. Der Wunsch nach der Nähe des anderen und die Erfüllung dieses Wunsches durch Genuss erweckt starke Gefühle in uns und erzeugt die Begierde, uns diesen Genuss zu erhalten. Das ist es, was Paare zusammenhält: Sie lieben es, einander in die Augen zu sehen, können einander gar nicht lange genug anschauen, denn schon der Blick in die Augen des anderen erweckt in jedem von ihnen ein Hochgefühl.
Augenblicke der Nähe
Ganz allgemein fällt es uns leicht, einem Menschen, den wir mögen, eine längere Zeit ins Gesicht zu blicken. Eltern brauchen ihre kleinen Kinder nur anzusehen, um auf der Stelle Freude und Glücksgefühle zu empfinden.
Auch bei Liebenden beginnt alles mit Blicken. Sie schauen sich gern an. Daran ist ein ästhetisches Moment ebenso beteiligt wie ein sinnliches. Den Blicken folgen die Berührungen. Man kommt einander näher. Die Haut beginnt sich zu dehnen und verlangt nach Berührung. Kleine Berührungen machen den Anfang. Sie müssen von beiden als angenehm empfunden werden, Rhythmus spielt eine wichtige Rolle. Die Frage, ob einer festgehalten werden möchte oder nur sanftes Streicheln spüren will, kann nur individuell beantwortet werden.
Herauszufinden, was den einen wie den anderen individuell anzieht oder abstößt, ist in diesem Spiel der körperlichen Annäherung ein reizvolles,
aber diffiziles Terrain. Der Geruchssinn spielt dabei eine wichtige Rolle, da er direkt zu unseren Gefühlen spricht. Wir sagen nicht umsonst mit gutem Grund von einem Menschen, dass wir ihn »nicht riechen« können, und können nur hoffen, dass der Partner uns »gut riechen« kann. Die Kosmetikindustrie hat sich diese Tatsachen zunutze gemacht und eine Fülle von Düften geschaffen, die uns angenehm »riechen« lassen, wobei man in Kauf zu nehmen hat, dass der persönliche Duft eines Menschen dadurch verdeckt wird. Wir wissen inzwischen, dass die hauteigenen Pheromone, auch wenn sie bewusst gar nicht wahrgenommen werden, eine Wirkung auf den anderen ausüben können, bei dem einen stärker, bei dem anderen schwächer und bei einem dritten überhaupt nicht. Übrigens gilt auch für Parfum, was für den Eigenduft eines Menschen gilt: Das eine zieht uns an,
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