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Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Titel: Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samy Molcho
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beherrscht wird, umso gehemmter wird die Reaktion sein. Denn die Erwartungen an sich bauen bereits Spannungen auf, die alle Kanäle von Energie versperren. Sperre ich mich aber auf solche Weise selbst, reduziert sich mein Aktionsradius und die Qualität meiner Arbeit wie von selbst. Es handelt sich hier um einen geschlossenen Spannungskreis, den wir uns selbst errichten, in dem wir Erwartungen in die Gruppe projizieren, die gar nicht existieren. Versuchen wir nun diese vermeintlichen, eigentlich gar nicht vorhandenen Erwartungen zu erfüllen, werden wir vergeblich auf das dafür ersehnte Lob warten, und die Enttäuschung ist vorprogrammiert. Wir stehen wieder einmal vor dem Phänomen der berühmten self-fulfilling prophecy . Mit einem etwas stärkeren Selbstbewusstsein machen wir uns vielleicht nicht ganz so abhängig von der Meinung der anderen. Dennoch ist uns stets an der Anerkennung der anderen gelegen, und wir möchten sie nur zu gern einheimsen. Wir fühlen uns aber auch stark genug, um angemessen auf die Ablehnung zu reagieren, indem wir auf ein anderes Feld wechseln und etwas anderes anbieten. Ein anderer Weg könnte sich dadurch öffnen, dass wir unseren Vorschlag zurückziehen, aber nicht um zu resignieren, sondern um unsere Arbeit jemand anderem anzubieten, der sie vielleicht zu schätzen weiß. Damit würden sich neue Optionen ergeben, den Energiefluss aufrechtzuerhalten, sodass es uns leichtfiele, unsere reaktiven Gefühle in eine positive Richtung zu lenken. Klammern wir uns jedoch an die einmal gefasste Vorstellung, dass diese eine bestimmte Aktion diesem einen Interessentenkreis gefallen müsse, bleiben wir aller Erfahrung nach in der einmal hervorgerufenen Spannung und stecken in dieser Stresssituation fest.

    Die eine telefoniert, die andere darf zuhören. Die offene Haltung der Kollegin lädt förmlich dazu ein.

    Ganz anders hier: Die Kollegin möchte ungestört telefonieren und schirmt sich durch Abwendung und vollkommen geschlossene Körperhaltung der unerwünschten Zuhörerin gegenüber ab.

    Unter gleichgestellten Partnern herrscht, wie erwähnt und eigentlich selbstverständlich, ein eher lockerer Umgang untereinander, und auch die Ein- bzw. Übergriffe von Vorgesetzten sind aufgrund einer ungeschriebenen Achtung vor jeder Gruppensolidarität wenig gefürchtet. Verehre und liebe ich jedoch eine andere Person in übertriebenem Maße, wird mein ganz persönliches Gefühl sie auf ein Podest heben. Ich ganz allein bin es also, der eine asymmetrische Beziehung zwischen dieser Person und mir selbst aufbaut. Ich mache mich davon abhängig, ob die »erhöhte« Person mich annimmt oder ablehnt. Dadurch kommt es zu jenen Spannungen, die durch Verliebtheit oder übertriebene Autoritätshörigkeit
gegenüber einem Menschen entstehen, dessen Urteil mir über dem aller anderen zu stehen scheint.
    Gleicher Status oder auch nur das Gefühl von Gleichheit und Ebenbürtigkeit lösen die Spannungen in unserem Körper, verhelfen uns dazu, uns locker fühlen. Wir spüren es an unserem Kreislauf, an der frei fließenden Energie und, was wichtig ist, wir bemerken es daran, dass sich unsere Gelenke von jeder Versteifung lösen. Achten wir also in Spannungsmomenten stets auf unsere Gelenke, denn sie sind der Seismograf unseres Wohlbefindens.
    Einengung in jeder Form, ob psychisch oder körperlich, schränkt die Bewegungsbereitschaft ein, und zwar bis zur vollständigen Lähmung. Bewegungslosigkeit führt unvermeidlich in den Stress.
    Wir brauchen jedoch gar nicht die anderen dazu, in Stress zu geraten. Indem wir uns selbst unter hohen Erwartungsdruck setzen, können wir es ganz allein bewerkstelligen. Wir schaffen in uns ein Über-Ich, das von unserem Ich verlangt, besser zu sein. Schon der Wunsch an uns selbst, perfekt zu sein, auch wenn dahinter der legitime Anspruch steht, gut zu sein und damit auch anerkannt zu werden, schafft den Unterschied zwischen gut und perfekt, zwischen perfekt und doch nicht ganz perfekt: Wir schaffen also sozusagen in uns selbst bereits Stress durch das asymmetrische Gefälle zwischen mir und mir.

Kontakt suchen
    Das Bedürfnis nach menschlichen Kontakten ist in jedem von uns von Geburt an tief verankert. Es ist bei unterschiedlichen Menschen stark oder weniger stark ausgeprägt und es äußert sich bald in kleinen Berührungen durch Antippen mit den Fingerspitzen, bald im Festklammern an der Hand oder dem Arm eines Partners, um Vertrautheit und Schutz zu suchen.
    Menschen, die viel und

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