Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz
sich das Wasser staut, droht Gefahr oder es entsteht Stillstand. Stehendes Wasser aber beginnt irgendwann zu stinken.
Es existiert jedoch ein Ausweg aus dieser trüben Situation. Das Wasser muss sich eine neue Abflussmöglichkeit suchen, vielleicht macht es auch nur einen Umweg und findet etwas weiter unten in sein altes Bett zurück. Darin liegt auch die Parallele zum Menschen in Stresssituationen. Auch er darf nicht versuchen, die Hindernisse, die ihn umstellen, mit Gewalt aus dem Weg zu schaffen, vielmehr muss auch er neue Wege finden, sich von ihnen zu befreien. Dies kann durch eine neue Arbeitseinteilung geschehen, wird jedoch im Allgemeinen eher gelingen, wenn er einen Teil seiner Aufgaben an Mitarbeiter delegiert, die diese Dinge wahrscheinlich genauso gut erledigen können wie er selbst. Und er kann wieder atmen, seine Energie wieder in Fluss bringen. Menschen, die unfähig sind zu delegieren, haben es schwer. Ihnen bleibt nur der Kampf - natürlich der Kampf mit sich selbst.
Weder unser Körper noch unsere Psyche können sich von der Natur ausschließen. Unsere Haut schließt uns keineswegs von der Natur ab, im
Gegenteil, sie lebt mit ihr. Die Natur wirkt ständig auf uns ein, ob wir wollen oder nicht; wir können uns ihrem Einfluss überhaupt nicht entziehen. Was nun unsere Haut angeht, so sollten wir uns ins Gedächtnis rufen, dass sie unser größtes Organ darstellt. Ob Wärme oder Kälte, überhaupt alle Empfindungen, die wir durch unsere Haut erfahren, wirken auf den ganzen Menschen. Alle angenehmen Gefühle scheinen unsere Haut zu dehnen, lassen uns ein Wohlgefühl empfinden, gleichgültig ob es eine leichte Berührung ist, ein Windhauch, der unsere Haut streichelt, eine angenehm temperierte kleine Welle, die über unseren Körper rinnt. Dies alles verschafft uns Lockerung. Verändern die gleichen Berührungen aber ihren Rhythmus und ihre Temperatur, werden sie hart, heftig oder kalt, so spüren wir statt Ruhe auf einmal Unruhe und Unbehagen in uns. Können wir uns von diesen Einflüssen nicht distanzieren, bilden wir Widerstand und geraten vielleicht sogar in Stress.
Unsere Haut nimmt jeden Körper, der nah an uns herankommt, hochempfindlich wahr. Deshalb kann eine enge Arbeitswelt sich bereits Stress erzeugend auf uns auswirken. Und auch der Druck von oben, vom Psychischen ins Physische übersetzt, schafft eine innere Enge und erzeugt Stress. Der vollgepackte Terminkalender beispielsweise löst Stress aus. Pausen sind wichtiger, als die meisten von uns es sich vorstellen können. Die fünf Minuten für eine Tasse Kaffee mobilisieren mehr Energie und damit mehr Leistung als jeder Zeitgewinn durch angestrengtes Weitermachen: ein Gewinn, der sich selber wieder aufzehrt.
Auch unsere Sinnesorgane reagieren empfindlich auf übertriebene Nähe. Ein Fingerschnipsen unmittelbar an unserem Ohr lässt uns zusammenfahren; ein Parfümfläschchen, dass man uns unerwartet unter die Nase hält, lässt uns erschrecken.
Ein anderes Beispiel, auf das ich schon einmal hingewiesen habe, ist dieses: Unsere Augen brauchen, um klar zu sehen, eine gewisse Entfernung vom beobachteten Gegenstand. Wir erkennen diese Regel schon im Umgang mit ganz kleinen Kindern. Neigt sich die Mutter, vielleicht um ihr Baby zu küssen, allzu nah über das kleine Köpfchen und bleibt etwas zu lange in dieser Stellung, beginnt das Kind zu schreien. Sein Blick wird unklar, es sieht nicht mehr richtig und bekommt es mit der Angst zu tun. Ganz anders sieht es aus, wenn die Mutter ein Spiel daraus macht, indem sie sich weit zu ihrem Kind herabneigt und sofort wieder aufrichtet. Auf
diese Weise schafft sie im Wechsel Spannung und Entspannung. Das Baby genießt das Spiel, reagiert mit Erwartung und Spannung und baut mit einem Lachen die Spannung wieder ab.
Auch jeder Erwachsene kennt dieses Gefühl. Kommt ihm ein anderer so nahe, dass er uns den Blick verstellt, machen wir entweder die Augen zu oder wir suchen uns zu entziehen, weil uns diese Nähe irritiert. Selbst Verliebte, die sich gar so gern in die Augen schauen, werden diese schließen, wenn die Nähe beengend wird. Deshalb küssen wir einander mit geschlossenen Augen, wobei natürlich auch stimulierende innere Empfindungen eine Rolle spielen.
Grundsätzlich ist zu sagen, dass alles, was unseren Augen zu nahe kommt, Irritation hervorruft. Jede Mücke, die vor unseren Augen herumtanzt, macht uns nervös.
Jede Unruhe, die wir empfinden, erweckt in uns den Wunsch nach Bewegung,
Weitere Kostenlose Bücher