Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz
Bewerbungsritual, dessen Regeln niemand erst zu lernen braucht, weil er sie seit Urzeiten in sich trägt. Erst danach kommen soziale und religiöse Spielregeln ins Spiel, die, je nachdem, den biologischen Voraussetzungen entsprechen oder im Widerspruch zu ihnen stehen.
Primäre Voraussetzung für die Annäherung zwischen Mann und Frau ist der Urtrieb aller irdischen Lebewesen, sich zu vermehren und damit der Erhaltung der eigenen Gattung zu dienen. Es folgt der Übergang in ein größeres System, das Familie oder Gruppe heißt, in dem es nun um Aufzucht und Schutz der Gemeinschaft gehen wird. Innerhalb der Gemeinschaft wird es Annäherungen anderer Art geben, die nicht dem Urtrieb des Eros folgen, sondern dem Überleben der Gemeinschaft dienen. Waren es in früher Zeit die männlichen Mitglieder einer Gruppe, die sich zur Jagd zusammenfanden oder zur Abwehr von Feinden, bringt die moderne Arbeitswelt die Zusammenarbeit beider Geschlechter in einer sozusagen neutralen Annäherung zueinander. Jeder bringt die eigenen Fähigkeiten, sein Wissen, sein Knowhow zum Vorteil der Gemeinschaft ein, mag sie Familie, Firma, Volk oder Menschheit genannt werden. Lassen wir es erst einmal damit auf sich beruhen, dass sich in diesen a priori neutralen Bereichen überall auch erotische Spannungsfelder bilden können und kehren wir zu der einfachen Annäherung, einschließlich des erotischen Zaubers zwischen zwei Lebewesen, zurück.
Dabei spielt der ästhetische Gesichtspunkt eine herausragende Rolle. Außer der Befriedigung seiner eigenen ästhetischen Bedürfnisse wünscht sich der männliche Partner eine gute Ehefrau, eine gute Mutter für seine Kinder. Aber auch schön soll sie sein, nach der hoffnungsvollen Regel: Eine schöne Mutter bringt auch schöne Kinder zur Welt. Wobei Intelligenz und Bildung nicht unterschätzt werden sollten, denn beides sind Voraussetzungen für gehobene soziale Verhältnisse. Die Natur aber ordnet sich nicht nach Bildung und auch nicht an erster Stelle nach Intelligenz. Sie orientiert sich an Gesundheit. Wenn wir von einem gesunden Tier sprechen, haben wir einen ungestörten Bewegungsfluss vor Augen. Denn jede Störung in der Bewegung weist auf eine Hemmung, eine Verletzung oder eine Krankheit hin. Die ausgeglichene Proportion der Körperteile zeigt ebenfalls ein gesund geborenes Wesen ohne Handicap und Behinderung. Auch das glänzende Fell und glänzende Augen weisen wiederum auf Gesundheit. Der symmetrische Körperbau ist eine der kompliziertesten Aufgaben der genetischen Programmierung durch die Natur. Schon der symmetrische Sitz, links und rechts, der beiden Flügel eines Schmetterlings erscheint uns zu Recht als ein Wunder. Asymmetrie bezeichnet in der Regel einen Defekt in diesem Programm. Alles, was symmetrisch ist, erscheint uns schön und damit gesund. Um es gleich zu sagen: Asymmetrie wirkt auf uns nicht im gleichen Maße schön, kann jedoch anregend sein und mobilisiert, eventuell gerade wegen ihres Handicaps gegenüber der Harmonie spendenden Symmetrie, besondere Energien.
Es ist bei Menschen nicht viel anders als bei den Tieren: Glänzendes Haar, strahlende Augen, ein symmetrischer Körperbau, gleichmäßige Proportionen signalisieren uns, nicht nur, aber bevorzugt bei Frauen, Schönheit und unbewusst auch Gesundheit. Abgesehen von den sich verändernden Sichtweisen, die uns die Mode beschert, wird Weiblichkeit durch den entwickelten Busen ausgestrahlt, durch sinnliche Lippen, große Augen, eine enge Taille, die das Becken, den gebärenden Körperteil, betont, und durch lange Beine, die sexuelle Reife bedeuten sollen.
Männlichkeit soll sich durch breite Schultern, Körpergröße, festem Blick, fließender Bewegung trotz harter Muskeln und einem kräftigen Becken beweisen. Das weibliche Geschlecht soll dadurch angezogen werden. Aber auch hier hängt mehr vom subjektiven Verlangen der anderen Seite ab als von gesetzten Normen. Einmal sind starke Hände verlangt, die
signalisieren: Ich kann arbeiten, kann zupacken und festhalten, ein anderes Mal sind zarte, langgliedrige Hände gefragt, die für Kreativität, Zärtlichkeit und Beweglichkeit sprechen.
Mit den Zeiten wandeln sich auch die Bedürfnisse von Mann und Frau. In der modernen westlichen Welt stehen die Signale der Gebärfreudigkeit nicht mehr sehr hoch im Kurs. Geburten- und Sterberate haben sich stark verändert. Bei uns wird von den Frauen nicht mehr verlangt, viele Kinder zur Welt zu bringen, wie es heute noch in anderen
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