Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel
mich die schwierige Existenz immer interessiert, das Durchschlagen als Englischlehrer in Triest, Krankheiten, Geldsorgen. Aber er schrieb unausgesetzt, zuerst Kurzgeschichten über seine Heimatstadt Dublin, 1914 unter dem Titel »Dubliners« erschienen. Eine dieser Kurzgeschichten, »The Dead« (»Die Toten«), ist übrigens 1987 von John Huston verfilmt worden. Erstaunlich finde ich, daß sich Huston so genau an die Vorlage gehalten hat, bis hin zu den Dialogen. Besonders die letzten Sätze am Schluß des Films haben mich immer bewegt, weil
sie auch etwas mit meiner eigenen Arbeit am »Echolot« zu tun haben:
»Aber ich weiß, daß so ein Gefühl Liebe sein muß: an alle denken, die jemals waren, zurück zum Anbeginn der Zeit. Und ich vergänglich wie sie, genauso in ihre graue Welt hinüberflackernd wie alles um mich herum. Diese gediegene Welt, die sie errichtet und bewohnt haben, schwindet und löst sich auf. Der Schnee fällt … fällt still durch das All und fällt still, wie die Herabkunft ihrer letzten Stunde, auf alle Lebenden und alle Toten.«
Joyce’ Finanzjonglierungen gefallen mir, anderen Leuten Geld aus der Nase zu ziehen. Ärgerlich nur, daß er es meist sofort wieder verpraßt hat. Genauso merkwürdig seine Anstrengungen, den »Ulysses« groß herauszubringen. Joyce schrieb den Kritikern Briefe und ließ auch bei Freunden und Bekannten nicht locker, daß sie sein Buch kauften oder doch wenigstens lasen. An seinem vierzigsten Geburtstag, dem 2. Februar 1922, erschien der Roman in der Pariser Buchhandlung Shakespeare and Company. Nur eine Woche später schrieb Joyce in einem Brief: »Seit bekanntgegeben wurde, daß das Buch heraus sei, ist der Laden im Belagerungszustand gewesen — Käufer fahren zwei- oder dreimal am Tag vor, und es sind keine Exemplare für sie da.«
Auch wenn die angelsächsische Zensur einiges an Freizügigkeiten zu monieren hatte – in Irland durfte er jahrelang gar nicht erscheinen –, wurde der Roman in kurzer
Zeit ein großer Erfolg, sogar seine Frau Nora, die sich merkwürdigerweise nicht für den »Ulysses« interessiert hatte, begann darin zu lesen. Dabei war der 16. Juni 1904 ausgerechnet der Tag, an dem Joyce zum erstenmal mit ihr spazierengegangen war und sie Gefallen aneinander gefunden hatten.
Von Joyce-Enthusiasten in aller Welt wird der 16. Juni noch heute — wie von ihm selbst vorgeschlagen — als »Bloomsday« gefeiert, mit Partys und mit speziellen Autorennen sogar. Was das allerdings mit Joyce zu tun hat, weiß ich nun nicht. 22 Andererseits, nur aus Verehrung nach Urin schmeckende Nieren zu verzehren, Blooms Lieblingsspeise nämlich, also, das ist auch nicht jedermanns Sache.
Im Internet gibt es übrigens eine ganz hübsche Kurzfassung mit Zeichnungen, »Ulysses for Dummies«.
Ernst Jünger
Wovon lebte Ernst Jünger eigentlich? Mit annähernd fünfzigtausend Käfern hatte er eine der größten wissenschaftlichen Sammlungen dieser Art, in speziellen Kästen kostspielig verwahrt; wertvollste Bücher stehen in seiner Bibliothek, und durch die ganze Welt ist er gereist … Nur durch den Bücherverkauf kann er das unmöglich finanziert haben. Hatte er Vermögen, oder bekam er eine Pension? Rätsel über Rätsel. Es tut mir leid, daß ich ihm, dem doch wohl Einsamen, nicht einmal freundliche Zeilen zukommen ließ, als es noch Zeit war. »Zu spät« — ein dummes Wort.
Wenn man den von Heimo Schwilk besorgten opulenten Bildband (»Ernst Jünger. Leben und Werk in Bildern und Texten«) durchblättert, dieses Kompendium eines ungewöhnlichen Lebens, zeigt es sich vielfältig: das Füchsische des Autors. In den Fernsehaufnahmen konnten wir es dieser Tage auch erleben, wie er den Interviewer verblüffte, immer den Schalk im Nacken.
Das weiße Haupt – an seinem hundertsten Geburtstag wurden Märsche intoniert und: Konnte man den Augen
trauen? Er verfiel unter den Klängen auf dem Weg ins Gasthaus deutlich in Marschtritt. Warum sollte er auch nicht.
Ich will gerne gestehen, daß mir die immer zitierten Romane und Erzählungen Ernst Jüngers, »Afrikanische Spiele«, »Auf den Marmorklippen« oder »Eumeswil«, nur wenig genießbar erscheinen. Die Konstruktion liegt mir zu dicht unter der glatten Oberfläche. Und ich will auf der anderen Seite auch gestehen, daß »In Stahlgewittern«, das stilisierte Tagebuch des Stoßtruppführers aus dem Ersten Weltkrieg, bei mir einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen hat. Der Vater, ein Apotheker, hatte seinen
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