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umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition)

umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition)

Titel: umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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stand ich auf den Füßen. »Was ist denn passiert?«
    »Er lebt, aber et sieht schlimm aus. Kommsse gleich vor die Tür?« Oma Bertis Stimme bröckelte von Satz zu Satz.
    »Natürlich.«
    Es krachte im Hörer. Berti fluchte: »Scheiß kleine Dinger, kannze ja kaum festhalten.«
    »Berti, wo steckst du denn?«
    »Am Präsidium, inne Uhlandstraße, und wir müssen gezz ins Krankenhaus, auffe Intensiv … Borowski, gezz quatsch nich’ dauernd dazwischen. Glaubse, die weiß nich’, wo dat ist?«
    Ich konnte mir die Szenerie lebhaft vorstellen. Borowski redet sinnloses Zeug, und Berti versucht, die Situation zu meistern und für zwei zu denken.
    »Bleib, wo du bist. Ich bin sofort da.«
    Es war vielleicht keine so gute Idee, wenn sich Berti in ihrem aufgewühlten Zustand jetzt noch hinters Steuer setzte.
    Keine zwei Minuten später war ich komplett angezogen und rannte die Treppe hinunter.
    Als ich kurz darauf völlig außer Atem und pitschnass auf dem Parkplatz des Polizeipräsidiums ankam, sah ich Berti und Borowski auf dem Rücksitz von Bertis altem Benz sitzen. Borowski hielt den Kopf gesenkt, und Berti versuchte, ihm ein Taschentuch aufzudrängen. Er schüttelte den Kopf. Berti nahm Borowski in den Arm und hielt ihn fest an sich gedrückt. Du liebe Zeit, statt Karibikträumen stand mir ein Abend mit Rentnerversorgung ins Haus – ich wäre am liebsten auf der Stelle wieder umgedreht. Ich bin nicht gut in diesen Dingen. Was sagt man denn bei so einem Unglücksfall? Wird schon alles wieder gut? Bestimmt nicht.
    Ich öffnete die Fahrertür, und Berti drückte mir den Autoschlüssel in die Hand. »Knappschaft Langendreer«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Mach hinne … Vielleicht lebt der schon gar nicht …« Ihre Stimme war nur noch ein Krächzen.
    Ich startete den Wagen und gab Gas. Bis Langendreer sagte keiner auch nur ein Wort. Aber die Angst und das Entsetzen hätte man in Scheiben schneiden können, so dick standen sie im Auto. Kaum hatte ich den Wagen vor dem Knappschaftskrankenhaus geparkt, sprang Berti aus dem Auto und zerrte Borowski hinter sich her. Ich hatte Mühe, den beiden auf den Fersen zu bleiben. Vor der Tür zur Intensivstation blieb Borowski plötzlich stehen. »Ich kann da gezz nich rein. Geh du, Berti.« Seine Stimme war ganz dünn, und er drückte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
    »Nix da«, herrschte Berti den alten Mann an und betätigte den Klingelknopf für Besucher. »Dat is dein bester Freund, und vielleicht stirbt der jede Sekunde. Du kommst mit. Keine Diskussionen.«
    Die Tür wurde von einer freundlich dreinblickenden Krankenschwester geöffnet, und Berti verstummte.
    »Ach, Gott sei Dank, dass Sie da sind. Frau Blaschke, Herr Borowski?«
    Die beiden nickten. Die Krankenschwester öffnete die Tür noch weiter und ließ die beiden ein. »Wir haben schon gedacht … Also, wir wussten den Mann ja nicht zu identifizieren.«
    Oma Berti bat mich, auf dem Gang zu warten, was ich in jedem Fall lieber tat, als mitzugehen. Ich wollte auf keinen Fall vor einem Bett stehen und nicht wissen, was ich sagen sollte. Zu wem denn auch? Die waren da drin ja alle im Koma.
    Schlimmstenfalls sind noch Angehörige anderer Patienten da, die das Kommunikationsdefizit mit ihrem stummen Kranken prompt mit den anwesenden Besuchern kompensieren. Wie sich die Komatösen dabei fühlen, wenn ihre lieben Verwandten alles über ihren Krebs, ihren Unfall oder welche schrecklichen Umstände auch immer dazu geführt haben, dass sie jetzt künstlich ernährt und beatmet wurden, ausplaudern, darüber machte sich niemand Gedanken. Es soll Genesende gegeben haben, die, kaum dem Tod von der Schippe gesprungen, als Erstes ihre Familie zum Teufel gejagt oder unversehens Testamente geändert hatten. Hat meine Oma selig zumindest immer erzählt.
    Ich zog meine nasse Jacke aus, hängte sie über die lauwarme Heizung im Flur und setzte mich auf die unbequeme Plastikbank, die neben der Tür zur Intensivstation stand.
    Eine Stunde verging und noch eine halbe. Im Gang zog es gewaltig, und ich fing an zu frösteln. Hätte ich doch bloß vorher wenigstens noch meinen Kaffee ausgetrunken. Ich lief ein paar Schritte den Gang auf und ab, spähte durch eine der großen Türen, aber weit und breit war kein Kaffee- oder Süßigkeitenautomat zu sehen. Ich wagte es nicht, auf eine Zigarette nach draußen zu gehen. Berti würde mich auf der Stelle erschlagen, wenn ich meinen Posten verließ. Ich zog die klamme Jacke wieder an

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