Umwege zum Glück
Hirschbüttel! Gegenüber deiner Mutter, der auch etwas Besseres einfallen sollte, als in ihrem Alter noch Kinder in die Welt zu setzen – “
„Raus!“ schrie ich. „Verschwinde, ich kann dich nicht mehr sehen!“ Ich riß die Tür auf: „Verschwinde, oder ich schreie!“
Zum ersten Mal segnete ich Frau Hansens Neugierde. Als sie in der Küche zum Vorschein kam, fand Klaus es wohl doch besser, sich aus, dem Staube zu machen.
Du lieber Himmel, jetzt saß ich fein in der Tinte!
Ich hörte, daß Klaus den Wagen startete. Und da wurde es mir trotz allem leichter ums Herz. Er verschwand aus meinem Leben, und in diesem Augenblick wußte ich, daß ich ohne ihn viel besser mit meinen Problemen fertigwerden würde. Ich wollte keine Ratschläge und keine Hilfe! Ich würde genau das tun, was mein Gewissen mir sehr klar und sehr deutlich sagte.
Nach einer langen Busfahrt und geduldigem Suchen fand ich endlich das Haus Hasensteg 21 in einem kleinen, abgelegenen Dorf, etliche Kilometer von der Stadt entfernt. Es war dunkel geworden, es war schwer, die Hausnummern zu unterscheiden. Aber da, in einem Vorgarten, sah ich meinen Theodor. Theodor, der gar nicht mehr meiner war!
Es war ein niedriges Backsteinhaus mit hübschen Gardinen und mit vielen Blumen an den Fenstern.
Ich hörte Schritte. Um die Hausecke kam ein junger Mann im Overall, mit einem leeren Eimer in der Hand.
Ich ging näher.
„Guten Tag, ich suche Herrn Doktor Ingwart.“
„Ja? Das bin ich selbst.“
Ich schluckte mein Staunen herunter. So hatte ich mir einen Dr. med. mit Spezialfach Tropenkrankheiten nicht vorgestellt.
„Mein Name ist Irene Thams…“
„Ach, die Autobesitzerin – ich meine…“
„Die ehemalige Autobesitzerin! Herr Doktor, es ist mir so furchtbar peinlich, aber ich muß es Ihnen sagen – Sie sind bei dem Kauf häßlich betrogen worden. Ich bekam es erst vor einer Stunde zu wissen, und da bin ich sofort in einen Bus…“
„Kommen Sie doch rein, Fräulein Thams.“
Er hielt mir die Tür auf, stellte den Eimer ab und öffnete eine Tür zu einem kleinen, urgemütlichen Wohnzimmer. In einem Schaukelstuhl saß eine alte Dame mit einer Strickarbeit, die sie jetzt sinken ließ.
„Muttchen, dies ist Fräulein Thams, von der ich den Wagen heut gekauft habe, Fräulein Thams, dies ist meine Mutter. Nehmen Sie doch Platz, ich komme sofort, ich muß mir nur die Hände waschen.“
Frau Ingwart reichte mir eine schmale, weiße Hand.
„Es tut mir leid, daß ich störe, gnädige Frau.“
Es war etwas an Frau Ingwart, was es mir als ganz natürlich erscheinen ließ, diese Anrede zu gebrauchen. Sie war so durchsichtig fein, so zart, sie sah aus wie eine kleine Porzellanpuppe.
„Sie stören doch nicht!“ sagte sie freundlich. „Im Gegenteil, wir sehen so selten Menschen bei uns hier in der Einsamkeit. Es ist für mich direkt aufheiternd, ein junges Gesicht zu sehen. Wollen Sie nicht Ihren Mantel ablegen? Es ist bestimmt sehr warm hier drin.“
Damit hatte sie recht. Ich zog meinen Mantel aus, und da kam Doktor Ingwart ohne Overall. Er trug jetzt einen bequemen Pulli.
„Nun, Fräulein Thams, nun erklären Sie bitte – oder müssen Sie mit mir allein sprechen?“
„O nein, gar nicht, Ihre Mutter darf es gern hören. Ich hatte doch einem Bekannten den Auftrag gegeben, den Wagen zu verkaufen…“
„Ja, und da haben Sie auch einen tüchtigen Verkäufer gehabt! Er brachte mich tatsächlich dazu, zweihundert mehr zu zahlen, als ich mir eigentlich leisten kann. Aber alles, was recht ist, der Wagen läuft ja tadellos!“
„Das ist es ja eben! Kein Wunder, daß der Wagen tadellos läuft, wenn der Motor einen kräftigen Schuß superdickes Öl reingekriegt hat! Der Wagen ist gar nicht schlecht, im Gegenteil, er ist sehr gut, aber so wunderbar, wie Sie denken, ist er nicht! Herr Doktor, Sie müssen sofort das Öl wechseln. Sie dürfen unter keinen Umständen bei dieser Kälte mit dem dicken Öl fahren, sonst ist der Motor in einer Woche im Eimer! Ich habe Normal-Winteröl mitgebracht, wollen wir es gleich wechseln? Und eine neue Probefahrt machen?“
Doktor Ingwart sah mich mit großen Augen an.
„Das ist ja allerhand“, sagte er endlich.
„Und ob es allerhand ist! Betrug ist es, und das habe ich auch Herrn Jährner gesagt und mich gründlich mit ihm verkracht. Und dann bin ich hierhergefahren, und nun bitte ich Sie tausendmal um Entschuldigung. Und wenn Sie den Kauf rückgängig machen wollen, selbstverständlich –
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