Umzug ins Glück
Vintage-Fahrzeug war, nun musste ich mir von Ines erklären
lassen, dass sich bei einem Pledge alle Mitglieder des Buddhistischen Zentrums committen (auf Altdeutsch verpflichten), eine
selbst bestimmte Spende über das Jahr verteilt zu entrichten. Davon, so stellte ich mir vor, wurden dann die Räucherstäbchen
gekauft und diese niedlichen kleinen Buddha-Figuren, die bei Möbel Augustin immer neben den schwarzen Lackmöbeln dekoriert
sind. Sonst brauchen sie doch vermutlich nicht viel, weil ihr Ziel schließlich ist, sich mit dem Nichts zu vereinigen.
Ich dachte darüber nach, wie ich das Gespräch mit Lea anfangen sollte. Es war sozusagen meine Pflicht, ihr Ines’ Erkenntnisse
nicht vorzuenthalten, aber ich sah schon kommen, dass sie viele der Argumente durch andere entkräften würde, und dann stand
ich mal wieder als die Blöde da, die ihr das Erreichen ihres buddhistischen, vegetarischen Glücks nicht gönnte.
Düster schob ich die Unterredung vor mir her, immer in der Furcht, dass sie vorbeikam und mit mir eine Konversation beginnen
wollte. Aber erst als ich gerade mit der Lackiererei sprach, die mir gestern der Meister der Opel-Werkstatt als gut und günstig
empfohlen hatte, bemerkte ich eine rostrot gewandete Gestalt aus dem Augenwinkel. Nun gut, dann würde ich eben eine unangenehme
Sache nach der anderen erledigen. Ich vermutete, der Lackierer war die einfachere davon. Er machte mireinen Preis, von dem ich gehofft hatte, er würde noch besser und günstiger sein, und schlug mir vor, den Wagen am Mittwochabend
vorbeizubringen, dann könnte ich ihn am Freitagnachmittag wiederhaben.
Damit waren meine zwei Urlaubstage beschlossene Sache. Am liebsten wäre ich direkt zu Horst Adler gegangen und hätte das abgeklärt,
aber da stand noch Lea wie eine verrostete Vogelscheuche im Raum.
»Hast du da gerade mit einem Autolackierer gesprochen?«
»Ja.« Ich fand, wenn Begriffe fielen wie ›Schäden im Lack‹, ›Opel Omega‹ oder ›hinteren Kotflügel auch lackieren‹, dann war
das ziemlich offensichtlich.
»Könntest du den mal fragen, was es kosten würde, ein ganzes Auto umzuspritzen?«
Da ich nicht davon ausging, dass sie einen Wagen geklaut hatte und ihn ins Ausland verschieben wollte, handelte es sich wohl
um ihren Fiat Uno. »Hattest du einen größeren Unfall oder warum willst du das machen lassen?«
Lea schüttelte vehement den Kopf. »Oh nein! Es geht nur darum, dass der Bodhisattva Monasanga empfiehlt, die wichtigsten Bereiche
seiner Umgebung in der Farbe seiner Bestimmung zu gestalten.«
»Farbe der Bestimmung?«, wiederholte ich ratlos. Weil sich Doris bisher konsequent nicht in unsere Unterhaltung eingeschaltet
hatte, war ich sicher, dass sie mir das allein überlassen wollte.
»Ja, es gibt drei Bestimmungen«, erklärte mir Lea mit glänzenden Augen. »Orange steht für die Bestimmung der Erleuchtung,
Dunkelrot symbolisiert die Bestimmung des Fruchtbringens, und Rostrot ist die Farbe für die Bestimmung des liebenden Gebens.«
»Aha«, meinte ich unter bösen Vorahnungen. LiebendesGeben. Das hatte sich der Guru aber fein ausgedacht. »Wie erkennt man denn seine Bestimmung?«
»Man macht einen Test«, sagte Lea. »Und den schickt man zusammen mit einem Foto, einem Fingerabdruck und einer Schriftprobe
an das Zentrum in Genf.« Oha, der Guru residierte steuerbegünstigt in der Schweiz! »Und dann meditiert der Bodhisattva Monasanga
darüber und teilt einem seine Bestimmung mit. Die Erleuchteten sind die Lehrer, die anderen auf dem achtfachen Pfad weiterhelfen.
Die Fruchtbringenden sind diejenigen, die besonders gut Suchende finden und auf diesen Pfad hinweisen können.« In anderen
Worten: Das waren diejenigen, die gezielt neue Opfer ausfindig machten, übersetzte ich. »Und dann gibt es die liebenden Geber,
die auf vielerlei Weise das Werk unterstützen.«
»Zum Beispiel durch Spenden?«
»Zum Beispiel«, sagte Lea, ohne auf den kritischen Unterton einzugehen. »Aber auch, indem wir die Welt durchdringen mit Frieden
und Läuterung.«
Der Begriff Frieden war mir klar, aber Läuterung? Lea erklärte es mir gern: Das hatte mit dem Verzicht auf die irdischen Dinge
zu tun, die durch das Streben nach reinem Glück und innerem Reichtum ersetzt wurden, eben genau das, was Ines als absolut
unbuddhistisch anprangerte.
»Eigentlich ist es ganz einfach«, behauptete Lea. »Man umgibt sich mit dem Schutzmantel der persönlichen Bestimmung, um sich
Weitere Kostenlose Bücher