Umzug ins Glück
bestimmt heimlich auch gestrebt hatte.
Lea argumentierte mit den Lehren des Bodhisattva Monasanga, der Ines gar kein Begriff war. »Was ist das für ein Lehrer?«,
fragte sie schroff. »Woher kennst du den überhaupt?«
»Über eine Kleinanzeige in der ›Brigitte‹«, gestand Lea. Das ging natürlich gar nicht. Einen echten Guru muss man durch eine
Schicksalsfügung entdecken. Und damit gehörten Spiel, Satz und Sieg Ines.
Eine lispelnde Kellnerin entfernte die Reste unserer Gemüseorgie und brachte als Dessert einen ziemlich langweiligen Obstsalat.
Wir löffelten ihn nachdenklichund teilten uns dann die Rechnung, und ich konnte es kaum abwarten, endlich nach Hause zu kommen und ganz allein zu sein,
ohne buddhistische Vegetarierinnen, ohne die Gefahr, sich mit dem Nichts zu vereinigen, aber mit der Möglichkeit, vor dem
Schlafengehen noch ungetadelt ein Stück Mettwurst zu essen.
Den Samstag verbrachte ich – mit Ausnahme des obligatorischen Paula-Besuches – komplett im Garten. Ich war ja direkt skeptisch
gewesen, als wir ein Haus mit einem so großen Grundstück übernahmen. Aber es gehörte Stephans Verwandten, und er hatte mich
mit dem Argument beruhigt, dass wir das zusammen schon schaffen würden. Das hatte ich nun davon.
Den Sonntag verbrachte ich dann mit Rückenschmerzen und einem Heizkissen auf dem Sofa. Trotzdem hatte ich nicht alles geschafft.
Es war wohl mal wieder Zeit für zwei Urlaubstage, die ich dem Garten opfern musste. Dann könnte ich mir die Arbeit besser
einteilen.
»Nimm dir einen Gärtner, Mama«, drängte Magnus.
»Und wovon soll ich den bezahlen?« Kinder können so leicht reden. Hätte ich ihm doch gar nicht erst mein Leid geklagt. Er
würde mir jedenfalls nicht anbieten, den Gärtnerlohn von seinem monatlichen Studienetat abzuziehen, den ich ihm für acht Semester
zugebilligt hatte.
»Von dem Geld, das du sparst, wenn du keine Krankengymnastik, keine Reha und keinen Rollator bezahlen musst«, sagte er. Danach
redeten wir über etwas anderes.
Am Dienstagmorgen rief Ines mich im Büro an. »Ich habe mich mal nach diesem Bodhisattva erkundigt, den deine Kollegin so verehrt«,
sagte sie. »Ist sie in der Nähe?«
»Ich kann sie holen, wenn du möchtest.«
»Nein, bloß nicht!«, rief Ines erschrocken. »Die istmir zu anstrengend.« Ich sagte nicht, dass sie selber auch manchmal ganz schön anstrengend sein konnte. »Ich erzähl es lieber
dir.«
»Das hört sich nicht gut an.« Mit Schrecken dachte ich daran, dass ich diese Botschaften dann hinterher Lea vermitteln durfte.
»Ist es auch nicht. Dieser Typ ist, glaube ich, ein Scharlatan. Im Zentrum hatten schon mehrere Leute mit welchen zu tun,
denen er gnadenlos das Geld aus der Tasche gezogen hat.«
Eigentlich wollte ich es gar nicht wissen, aber dann siegte natürlich wieder meine Sensationsgier. Ich ließ mir in aller Ausführlichkeit
beschreiben, wie der weise Lehrer seinen Schülern erst mal Geld für seine Schriften abknöpfte, ihnen dann alle möglichen Accessoires
zur konzentrierteren Ausrichtung auf das wahre Glück anbot (bei weltlichen Promis nannte man das vermutlich ›eine eigene Linie
kreieren‹) und ihnen schließlich nahelegte, mit den Überschüssen, die durch das Ignorieren menschlicher Begierden entstanden,
seine Stiftung zu subventionieren.
»Und bei euch ist das nicht so?«, fragte ich vorsichtig.
»Mia«, rief Ines entrüstet, »du müsstest mich doch besser kennen. Glaubst du, ich falle auf irgendwelchen Hokuspokus rein,
der völlig aus der Luft gegriffen ist und für den ich immer mehr Geld bezahlen muss?«
Nein, eigentlich nicht. Jedenfalls war Ines von uns beiden die Taffere, die zum Beispiel noch feilschte, wenn ich mich längst
damit abgefunden hatte, dass nichts mehr ging. Nicht grundlos wurde sie gern mitgenommen, wenn es in unserem Freundeskreis
um größere Anschaffungen ging. Aber auch sie hatte sich für eine Lebensanschauung entschieden, die mir völlig unverständlich
war. »Wie handhabt ihr das denn zum Beispiel auf der finanziellenEbene?«, fragte ich vorsichtig. Immerhin brauchte ich ja wenigstens einen Anhaltspunkt, wenn ich Lea vor ihrem Bhagwan-Verschnitt
warnen sollte.
»Wir machen jährlich einen Pletsch …«
»Einen was?« Ich war nicht so gut mit diesen Anglizismen. Erst brauchte ich Ewigkeiten, um zu erkennen, dass ›Wientotsch‹
die norddeutsche oder zumindest die Jan-Hörnum-Sprechweise für ein
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