Umzug ins Glück
zu stärken und Schritt für Schritt von den Dingen zu trennen. Das bringt dich der Vereinigung mit dem Nichts näher und versetzt
dich gleichzeitig in die Lage, alles Überflüssige dafür zu geben, dass auch andere diesen Weg kennenlernen.«
Starker Tobak, der nur begrenzt zu ertragen war. Es war an der Zeit, unbarmherzig zu werden. »Das heißt,du schickst dein Geld diesem Bodysatt-Dingsbums, statt es für dich selbst zu verbrauchen?«
Statt mit einer direkten Antwort erfreute Lea uns mit einem Zitat. »Wer alles festhält, kann sich selbst im Sturz nicht halten«,
deklamierte sie. »Nur eine leere Hand ergreift den großen Schatz. Das bedeutet, dass …«
Die Erläuterung dieser fernöstlichen Weisheit wurde uns nicht mehr zuteil, weil auf ihrem Schreibtisch das Telefon klingelte
und sie in den Nebenraum zurückeilen musste. Erst jetzt drehte sich Doris mit spöttischem Blick zu mir um. »Nur eine hohle
Birne wird mit so viel Schrott gefüllt«, war ihre drastische Interpretation von Leas Ausführungen.
Aber das fand ich zu kurz gegriffen. So schrottreif war das Zitat nicht. Es hätte so ähnlich auch in der Bibel stehen können,
vielleicht hatte der Guru es sogar von Salomo abgekupfert. Ich hatte Leas Interpretation jedenfalls nicht gebraucht, um zu
verstehen, was es bedeutete. Es war nur ärgerlich, dass jemand wie Lea, die alleinstehend war und nach meinen Informationen
wenig Kontakt zu ihrer Familie in Niederbayern hatte, auf diese subtile Weise um ihr Geld geprellt werden sollte. Als sie
bei uns angefangen hatte, war sie so gut wie verlobt gewesen, und meine Theorie ging davon aus, dass diese zerbrochene Beziehung
der Grund war, weshalb sie so verzweifelt nach neuem Halt in ihrem Leben suchte. Aber ich hätte ihr eher einen handfesten
Kerl als einen esoterischen Meister in der Schweiz gegönnt, für den sie nun ganz platonisch schwärmte.
Aber hatten wir die Aufgabe, sie davon wieder abzubringen? Vermutlich würde sie uns jeden Versuch übel nehmen. Deshalb beschränkten
wir uns auf gute Ratschläge, als sie später wieder mit der rostroten Bestimmungsfarbe anfing. »Wozu willst du das Auto spritzenlassen?«, fragte Doris sehr praktisch. »Wenn du drinsitzt, siehst du es doch sowieso nicht.«
»Da hast du recht«, sagte Lea zu unserer Überraschung. Vermutlich war ihr auch klar, wie teuer diese Aktion werden würde.
»Vielleicht genügt es, wenn ich die Motorhaube machen lasse. Da guckt man doch immer drauf, oder nicht?«
»Lass sie einfach abschleifen«, riet Doris ihr. »Rostrot wird sie dann von ganz allein.«
Das ignorierte Lea geflissentlich, was dafür sprach, dass ein bisschen der asiatischen Gleichmut schon bei ihr hängen geblieben
war. »Ich sollte lieber sehen, ob ich rostfarbene Sitzbezüge finde«, überlegte sie. »Ob ich die wohl in dem Auto-Shop an der
Budapester Straße kriege?«
Begeistert zog sie wieder von dannen, um sich ihrem neusten Nachlassfall zu widmen. Doris zog eine Grimasse. »Ich bin nur
für eine Sache dankbar«, sagte sie zu mir. »Und das ist, dass der Yogi bei seiner Meditation nicht beschlossen hat, dass ihre
Bestimmung die dunkelrote ist. Stell dir mal vor, sie würde die ganze Zeit versuchen, uns zu bekehren. Wir würden doch unseres
Lebens nicht mehr froh.«
6
Nicks Anruf erwischte mich, als ich gerade mit Gummistiefeln und Stephans altem Lodenmantel im Garten stand und unter der
Hecke das Laub wegharken wollte, das ich über den Winter immer für die Igel liegen lasse. Mit klammen Fingern zog ich das
Telefon aus der Tasche.
»Ich hab im Büro angerufen, aber die haben gesagt, dass du zuhause bist«, sagte er. »Ist was nicht in Ordnung?«
»Doch, doch«, beruhigte ich ihn. »Ich hab mir zwei Tage Urlaub genommen, weil ich hier einiges machen wollte.«
»Dann bist du nicht krank?«
»Bis jetzt noch nicht«, gab ich zurück. »Aber ich stehe gerade im Garten, und wenn es weiter so regnerisch und kalt ist, kann
ich für nichts garantieren.«
»Dann geh doch einfach rein und setz dich in dein warmes Wohnzimmer«, schlug er vor. Ich konnte mir geradezu vorstellen, wie
er dabei grinste.
»Dafür habe ich mir aber keinen Urlaub genommen«, entgegnete ich. »Aber du rufst ja sicher nicht an, um mir gute Ratschläge
für mein Leben zu geben.« Es musste wohl daran liegen, dass ich vorankommen wollte und man nun mal mit einer Hand nicht harken
kann, dass ich so kiebig zu ihm war. Im Gegensatz zu vielen
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