Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Umzug ins Glück

Umzug ins Glück

Titel: Umzug ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
Ingolf ist jetzt unten fertig und sagt, es kann geputzt werden.«
     Na super, das Leben war eine Abfolge von unvergleichlichen Vergnügungen.
    »Ich komme etwas später«, sagte ich. »Ich hab gerade im Radio gehört, dass Jan Hörnum den Vertrag in Hammerscheid nicht gekriegt
     hat, sondern dieser pickelige Holli K.«
    »Ach du Scheiße«, sagte er. »Da willst du mal eben nach ihm schauen?«
    »Ich denke, das sollte ich tun.«
    »Okay, dann sprich ihm mal etwas Trost zu«, sagte Nick verständnisvoll. Und setzte dann warnend hinzu: »Aber nicht zu viel!«
    Zehn Minuten später kam ich bei mir zuhause an und sah den Riesen-Benz mit geöffnetem Kofferraumdeckel vor meiner Einfahrt
     stehen. Jan Hörnum kam mir mit einer Reisetasche und einem Kleidersack entgegen. Er trug wieder seinen cremeweißen Anzug und
     sah nicht gerade fröhlich aus.
    »Ich hab’s gerade im Radio gehört«, sagte ich. »Ich hoffe, die haben Sie wenigstens vorher angerufen?«
    »Ich habe mit dem Assistenten von Herrn Fleischer gesprochen«, sagte er mit rauer Stimme. »Der hatte wohl schon eine Weile
     versucht, mich zu erreichen, aber er hat es immer auf der Nummer von Paulas Haus probiert. Das konnte natürlich nicht klappen.«
    »Vielleicht sollten Sie sich doch mal ein Handy anschaffen«, schlug ich vor.
    »Blödsinn«, meinte er und stellte seine Taschen in den Kofferraum. »Damit mich von früh bis spät die ganze Welt nerven kann?«
    Na wenn das so ist, dachte ich. Aber er tat mir trotzdem leid. »Was werden Sie denn jetzt machen?«
    »Ich fahre nach Schwerin«, teilte er mir mit. »Mein Agent hat schon etwas Neues für mich aufgetan, auf der Freilichtbühne
     dort geben sie dieses Jahr ›My Fair Lady‹, und kurzfristig ist Lou Simon für die Rolle des Professor Higgins abgesprungen.«
     Er klappte den Kofferraumdeckel zu. »Eigentlich gut, dass es so gekommen ist«, meinte er. »Die Rolle passt viel besser zu
     meinem Typ als dieses Karl-May-Gedöns nach dem Motto ›Im mer nur draufhauen‹. Ich bin doch eher der feinsinnige Charakter, der aus seinen Rollen auch die Tiefe herausholt.«
    Ich hätte geschmunzelt über diese Selbsteinschätzung, die zeigte, dass man sich über mangelndes Selbstbewusstsein bei ihm
     keine Sorgen zu machen brauchte, aber ich erinnerte mich auch an die Gedichtlesung, die mich fast zu Tränen gerührt hatte,
     und natürlich an den unglaublichen Auftritt bei Horst Adler. Dieser Mann hatte seine Talente und Fähigkeiten, und es tat mir
     nicht leid, ihn getroffen zu haben.
    Ich kannte Lou Simon nicht. Aber ich kannte ›My Fair Lady‹, und da fiel mir etwas auf. »My Fair Lady? Das ist doch ein Musical!
     Können Sie denn singen?«
    »In Schwerin wird es wohl Gesangslehrer geben«, meinte er unverzagt. Er zückte seinen Autoschlüssel. »So, dann will ich mal.«
    »Bleiben Sie doch wenigstens noch bis morgen früh«, schlug ich vor. »Das ist eine weite Fahrt.«
    »Nee, ich breche lieber jetzt auf«, entschied er. »Nachts zu fahren macht mir nichts aus.« Vermutlich musste er Land gewinnen,
     nachdem seine Hoffnungen hier so brutal zerplatzt waren. Er reichte mir die Hand. Sie war warm und trocken und hart wie ein
     Olivenast. Mir wurde bewusst, dass dies tatsächlich das erste Mal war, dass wir uns berührten. »Machen Sie es gut, Mia. Viel
     Glückfür Sie und Ihren Nick, und lassen Sie sich bloß nicht zu viel von ihm gefallen!«
    Ich lächelte. »Keine Sorge. Und Ihnen eine gute Fahrt. Vielleicht melden Sie sich mal und lassen uns wissen, wie es Ihnen
     ergangen ist?«
    Jetzt wurde sein Blick wieder vage. Das kannte ich schon. »Ich will Ihnen da nicht zu viel versprechen«, sagte er. »Wissen
     Sie, wenn erst mal die Proben anfangen, dann bleibt wenig Zeit für Privates.«
    »Alles klar«, sagte ich, und dann stieg er in sein Auto, das vorne links immer noch eine große, grün verschrammte Beule von
     meinem Omega hatte. Ich war mir nicht sicher, ob ich jemals von seiner Versicherung hören würde.
    Hilflos stand ich auf dem Bürgersteig und winkte ihm nach. Und stellte fest, dass er mir meinen Hausschlüssel nicht zurückgegeben
     hatte. Ich konnte nur hoffen, dass er ihn nicht von innen stecken gelassen hatte.
     
    Nachdem das erledigt war, kletterte ich auch wieder in den Omega und fuhr zu Paulas Haus. Schon an der Gartentür hörte ich
     das schreckliche Kreischen der Schleifmaschine, mit der Ingolf jetzt die obere Etage bearbeitete.
    Ich ging ums Haus und fand Nick wie vermutet auf der Terrasse.

Weitere Kostenlose Bücher