Unbefugtes Betreten
trank und wischte den Rand ab.
»Was haben Sie denn noch da drin?«
»Sandwiches und Mandarinen. Oder möchten Sie umkehren?«
»Immerhin keine dieser grauenvollen Plastikhosen.«
»Nein.«
Natürlich hatte er welche. Und nicht nur für sich, sondern er hatte für sie auch noch eine von Cath mitgebracht. Etwas in ihm, etwas Dreistes und Schüchternes zugleich, wollte sagen: »Ich trage North-Cape-Coolmax-Boxershorts mit Ein-Knopf-Schlitz.«
Sowie sie miteinander zu schlafen begonnen hatten, nahm er sie mit ins Great Outdoors.
Sie besorgten ihr Schuhe – ein Paar Brasher Supalites –, undals sie mit den Schuhen an den Füßen aufstand, versuchsweise bis zum Spiegel und zurück ging, dann einen kleinen Steptanz hinlegte, dachte er bei sich, wie unglaublich sexy kleine Frauenfüße in Wanderschuhen aussahen. Sie besorgten ihr drei Paar ergonomische Trekkingsocken, die dafür entwickelt worden waren, Druckspitzen zu absorbieren, und ihre Augen weiteten sich angesichts der Tatsache, dass es wie bei Schuhen linke und rechte Socken gab. Dann auch drei Paar Unterziehsocken. Sie wählten einen Tagesrucksack oder Tagessack, wie der scharfe Verkäufer sich auszudrücken beliebte, der es für Geoffs Gefühl eindeutig zu bunt trieb. Er hatte Lynn gezeigt, wo der Hüftgurt durchgehen, wie sie die Schulterriemen anziehen und die Brustriemen justieren sollte; jetzt tätschelte er den Sack und spielte auf viel zu intime Weise daran herum.
»Und eine Wasserflasche«, sagte Geoff entschlossen, um all dem ein Ende zu machen.
Sie besorgten ihr eine wasserdichte Jacke, deren Dunkelgrün ihr flammend rotes Haar hervorhob; dann wartete er ab, bis Herr Scharf eine wasserdichte Hose vorschlug und dafür verlacht wurde. An der Kasse zückte Geoff seine Kreditkarte.
»Das darfst du nicht.«
»Ich möchte aber. Ich möchte wirklich.«
»Wieso denn?«
»Ich möchte einfach. Du hast bestimmt bald Geburtstag. Jedenfalls irgendwann in den nächsten zwölf Monaten. Oder nicht?«
»Danke«, sagte Lynn, aber er spürte, dass es sie etwas irritierte. »Packst du sie zu meinem Geburtstag dann noch einmal ein?«
»Mehr als das: Ich putze dann auch noch deine Brashers besondersgründlich. Ach ja«, sagte er zur Kassiererin, »Schuhcreme brauchen wir auch noch. Classic Brown, bitte.«
Bevor sie das nächste Mal wandern gingen, massierte er ihre Schuhe mit Lederfett ein, damit sie weicher wurden und das Wasser besser abstießen. Als seine Hand in die neu riechenden Brashers glitt, stellte er wie schon im Laden fest, dass ihre Schuhgröße eine halbe Nummer kleiner war als die von Cath. Eine halbe Nummer? Ihm kam es wie eine ganze Nummer vor.
Sie machten Hathersage und Padley Chapel; Calke Abbey und Staunton Harold; Dove Dale, das, wo es sich verengt und steiler abfällt, zu Milldale wird; Lathkill Dale von Alport bis Ricklow Quarry; Cromford Canal und den High Peak Trail. Sie erklommen von Hope aus den Lose Hill, dann gingen sie über den Grat, von dem er ihr die schönste Aussicht im ganzen Peak District versprochen hatte, bis zum Mam Tor, wo sich die Gleitschirmflieger versammelten: Hünen, die mit riesigen Rucksäcken den Hügel heraufgeschwitzt kamen, dann auf dem Grashang ihre Baldachine wie Wäsche auslegten und darauf warteten, dass die Aufwärtsströmung sie vom Boden himmelwärts heben würde.
»Wie aufregend«, sagte sie: »Möchtest du das nicht auch mal machen?«
Geoff fielen Männer ein, die mit gebrochenen Rücken in Krankenhäusern lagen, Paraplegiker und Tetraplegiker. Ihm fielen Kollisionen mit Kleinflugzeugen ein. Ihm fiel ein, wie es wäre, den Wind nicht in den Griff zu bekommen, immer höher hinaufgetragen zu werden bis zu den Wolken, herunterzukommen in einer unbekannten Landschaft, sich zu verlaufen, Angst zu bekommen und in die Hose zu machen. Wie es wäre, nicht mit beiden Schuhenauf einem Weg zu stehen, eine Wanderkarte in der Hand.
»Geht so«, antwortete er.
Für ihn hatte Freiheit mit dem Boden zu tun. Er erzählte ihr vom unbefugten Betreten des Hochplateaus namens Kinder Scout in den 1930er-Jahren: Wie Spaziergänger und Wanderer aus Manchester zu Hunderten ins Moorhuhnjagdrevier des Duke of Devonshire geströmt waren, um dagegen zu protestieren, dass ein so kleiner Teil der Landschaften öffentlich zugänglich war; was für ein friedlicher Tag es gewesen war, abgesehen von dem betrunkenen Wildhüter, der sich mit dem eigenen Gewehr erschossen hatte; wie dieses unbefugte Betreten des Geheges dazu
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