Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unbefugtes Betreten

Unbefugtes Betreten

Titel: Unbefugtes Betreten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
Vom Netzwerk:
packe.«
    »Selbstverständlich. Familie und so.«
    »Nein, es geht nicht um meine Familie. Obschon ich eine Familie habe. Es geht darum, dass ich Weihnachten nicht packe.«
    Wenn Geoff sich mit diesem Phänomen konfrontiert sah, das er – auch wenn er prinzipiell vom Gegenteil überzeugt war – nur als krasses Beispiel für weibliche Unlogik empfinden konnte, tendierte er zum Verstummen. Eben warst du noch diesen Weg lang getrabt, hattest das Gewicht auf deinen Schultern kaum bemerkt, und plötzlich warst du mitten in Gestrüpp, ohne Pfad, ohne Wegmarken, Nebel breitete sich aus, und der Boden unter den Füßen wurde morastig.
    Als sie nicht weitermachte, versuchte er ihr zu helfen. »Ich mag Weihnachten auch nicht so besonders. Dieses Gefresse und Gesaufe. Aber –«
    »Wer weiß, wo ich an Weihnachten sein werde.«
    »Wie? Glaubst du, die Bank könnte dich versetzen?« Das hatte er sich noch nie überlegt.
    »Hör zu, Geoff. Wir haben uns im Januar kennengelernt, wie du deutlich gemacht hast. Wir haben es … gut. Ich fühle mich wohl, so weit wohl …«
    »Alles klar. Genau.« Das war es wieder. Das, was er einfach nicht besser in den Griff bekam. »Das heißt, nein, natürlich nicht. Ich wollte damit nicht … Ich stell beim Ofenmal eben die Unterhitze höher. Damit der Boden knusprig …« Er nahm einen Schluck Bier.
    »Das Einzige –«
    »Sag’s nicht. Ich weiß. Ich versteh, was du meinst.« Er wollte noch ein »Miss Duke of Devonshire« dranhängen, ließ es bleiben, und als er später darüber nachdachte, sagte er sich, dass das es wohl auch nicht besser gemacht hätte.
    Im September überredete er sie dazu, einen Tag frei zu nehmen, damit sie die Rundwanderung von Calver aus machen könnten. Die unternahm man besser nicht am Wochenende, wenn alle Wanderer und Felsenkletterer auf dem Curbar Edge herumkraxelten.
    Sie parkten in der Sackgasse beim Bridge Inn, dann gingen sie los und kamen auf der anderen Seite des Derwent an der Calver Mill vorbei.
    »Die soll Richard Arkwright gebaut haben«, sagte er, »1785, glaube ich.«
    »Das ist jetzt keine Mühle mehr.«
    »Wie man sieht, nein. Büros. Vielleicht Wohnungen. Oder beides.«
    Sie gingen den Fluss entlang, vorbei am tosenden Wehr, durch Froggatt und dann durch Froggatt Wood nach Grindleford. Als sie aus dem Wald kamen, war Geoff, auch wenn die Herbstsonne schwach war, froh um seinen Hut. Lynn weigerte sich nach wie vor, einen zu kaufen, und Geoff würde das Thema wohl bis Frühling nicht mehr anschneiden. Sie war braun geworden während der Sommermonate, und ihre Sommersprossen waren jetzt deutlicher als damals, als er sie kennengelernt hatte.
    Von Grindleford ging es steil den Berg hoch, was sie ohne Murren hinnahm; dann schritt er über ein Feld voran zum Grouse Inn. Sie setzten sich für ein Sandwich an die Bar. Danach fragte der Barmann: »Kaffee?« Sie sagte Ja,er sagte Nein. Er hielt nichts von Kaffee beim Wandern. Bloß Wasser gegen die Dehydrierung. Kaffee war ein Stimulans, und dabei lief doch die ganze Theorie darauf hinaus, dass das Wandern selbst so anregend war, dass es keiner Hilfsmittel bedurfte. Alkohol: Blödsinn. Ihm waren sogar schon Wanderer untergekommen, die Joints geraucht hatten.
    Er sagte ihr dies und das dazu, was vielleicht ein Fehler war, denn sie sagte: »Ich trinke nur einen Kaffee, stimmt’s?« – und dann zündete sie sich eine Silk Cut an. Wartete diesmal nicht das Ende der Wanderung ab. Sie blickte ihn an.
    »Ja?«
    »Ich habe nichts gesagt.«
    »Ist auch nicht nötig.«
    Geoff seufzte. »Ich habe ganz vergessen, auf den Wegweiser hinzuweisen, als wir nach Grindleford kamen. Der ist eine Antiquität. Fast hundert Jahre alt. Davon gibt es nicht mehr viele im Peak District.«
    Sie blies ihm Rauch entgegen, absichtlich, wie es schien.
    »Übrigens, genau, habe ich irgendwo gelesen, dass Zigaretten mit wenig Teer genauso ungesund sind, weil man tiefer inhaliert, um genug Nikotin zu bekommen, sodass man letztlich mehr Giftstoffe in die Lunge aufnimmt.«
    »Dann könnte ich ja wieder Marlboro Lights rauchen.«
    Sie gingen ein Stück zurück bis zum Wanderweg, überquerten eine Straße und bogen beim Wegweiser zum Eastern Moors Estate links ab.
    »Ist hier irgendwo der Steinkreis aus dem Bronzezeitalter?«
    »Kann sein.«
    »Was soll das heißen?«
    Die Frage war berechtigt. Aber es hatte nun mal keinen Sinn,sich zu verleugnen, nicht wahr? Er war 31, er hatte eigene Ansichten, und er wusste so einiges.
    »Der Steinkreis

Weitere Kostenlose Bücher