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Unbefugtes Betreten

Unbefugtes Betreten

Titel: Unbefugtes Betreten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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geführt hatte, dass Nationalparks geschaffen und Wegerechte festgeschrieben wurden; dass der Anführer des Ganzen vor Kurzem gestorben war, es aber immer noch ein paar Überlebende gab, deren einer mittlerweile 103 war und in einem methodistischen Altersheim in der Nähe wohnte. Geoff fand diese Geschichte viel aufregender als irgendwelches Gleitschirmgeflatter.
    »Die sind dem einfach über sein Land gestampft?«
    »Nicht gestampft. Gestapft wohl eher.« Geoff gefiel seine Berichtigung.
    »Es war aber sein Land?«
    »Technisch ja, historisch vielleicht nicht.«
    »Bist du Sozialist?«
    »Ich bin für das Recht, frei herumzuschweifen«, sagte er vorsichtig. Bloß keinen Fehltritt riskieren.
    »Schon gut. Mir ist egal, was du bist.«
    »Was bist du denn?«
    »Ich gehe nicht wählen.«
    Ermutigt sagte er: »Ich wähle Labour.«
    »Das dacht’ ich mir.«
    Inseinem Wanderbuch trug er die Routen ein, die Daten, das Wetter, die Dauer und am Schluss ein rotes »L« für »Lynn«. Im Gegensatz zum blauen »C« für »Cath«. Die Zeiten blieben sich unabhängig von den Initialen ungefähr gleich.
    Sollte er ihr einen Trekkingstock kaufen? Er wollte den Bogen nicht überspannen: Einen Wanderhut hatte sie kategorisch abgelehnt, obschon ihr alle Vorzüge und Nachteile dargelegt worden waren. Nicht dass es Nachteile gegeben hätte. Aber immer noch besser ein unbedeckter Kopf als eine Baseballkappe. Wanderer mit Baseballkappen konnte er einfach nicht ernst nehmen, weder Wanderer noch Wanderinnen.
    Er könnte ihr einen Kompass kaufen. Allerdings hatte er selbst einen und benutzte ihn kaum. Sollte er sich je den Knöchel brechen und ihr von Schmerzen gebeutelt erklären müssen, wie sie über das Moor marschieren solle, indem sie jene baufällige Schafhürde als Bezugspunkt nähme und dann immer in Richtung NNO ginge – wobei er ihr zeigte, wie sie am Instrument drehen und die Richtung festlegen müsste –, dann könnte sie zu diesem Zweck ja seinen borgen. Ein Kompass für zwei – das war irgendwie richtig. Symbolisch, könnte man sagen.
    Sie machten die Kinder-Downfall-Rundwanderung: Parkplatz Bowden Bridge, das Reservoir, dann auf dem Pennine Way zum Downfall, bei Red Brook rechts abbiegen und hinab am Tunstead House vorbei und den Kinder-Stones. Er erzählte ihr von der durchschnittlichen Niederschlagsmenge und dass bei Temperaturen unter null der Downfall zu einer Kaskade von Eiszapfen gefror. Da lachte dem Winterwanderer das Herz im Leib.
    Sie antwortete nicht. Aber sie würden ihr ja sowieso zuerst eine Fleecejacke besorgen müssen, wenn sie im Winterauf 600 Meter gehen wollten. Zum Glück hatte er noch die Ausgabe von Country Walking mit dem Fleece-Test drin.
    Auf dem Parkplatz blickte er auf die Uhr.
    »Sind wir zu spät für etwas?«
    »Nein, ich habe nur nachgerechnet. Vier ein Viertel.«
    »Ist das gut oder schlecht?«
    »Gut, weil ich mit dir zusammen bin.«
    Gut auch, weil Cath und er jeweils auch vier ein Viertel gebraucht hatten, und egal, was man sonst über Cath sagen mochte: Sie war eine fitte Wanderin.
    Lynn zündete sich eine Silk Cut an, wie sie das nach jeder Wanderung tat. Sie rauchte nicht viel, und es störte ihn nicht wirklich, auch wenn er es für eine blöde Angewohnheit hielt. Wo sie doch gerade ihr Herz-Kreislauf-System so richtig auf Trab gebracht hatte … Doch als Lehrer wusste er: Mal war es richtig, etwas frontal anzugehen, mal besser, einen Umweg zu nehmen.
    »Wir könnten nach Weihnachten wieder da hoch. Im neuen Jahr.« Ja, dann könnte er ihr die Fleecejacke schenken.
    Sie blickte ihn an und nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette.
    »Falls es kalt genug ist: für die Eiszapfen.«
    »Geoff«, sagte sie, »du kommst mir ins Gehege.«
    »Ich wollte nur –«
    »Du kommst mir ins Gehege.«
    »Ja, Miss Duke of Devonshire.«
    Das fand sie jedoch nicht witzig, und auf der Rückfahrt schwiegen sie die meiste Zeit. Vielleicht hatte er ihr ein bisschen viel zugemutet. War ja schon anstrengend, so eine Höhendifferenz von 300 Metern oder mehr.
    Er hatte die Pizzen in den Ofen geschoben, den Tisch gedecktund riss gerade seine erste Bierdose auf, als sie sagte: »Hör mal, was haben wir jetzt? Juni. Wir haben uns kennengelernt im – Februar?«
    »Januar, am neunundzwanzigsten«, korrigierte er automatisch, wie wenn einer seiner Schüler 1079 für das Datum der Schlacht von Hastings hielt.
    »Januar, am neunundzwanzigsten«, wiederholte sie: »Hör mal, ich glaube nicht, dass ich Weihnachten

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