Unberuehrbar
auf und schleppte sich hinüber zur Küchenzeile und dem Wärmeschrank, in dem er seine Blutkonserven aufbewahrte. Er stürzte den Inhalt einer Konserve hinunter, dann noch eine. Und eine dritte. Wann war er zum letzten Mal so gierig gewesen?
Nach der vierten Konserve fühlte er sich endlich etwas besser. Stark genug immerhin, um zu überlegen, wie er weiter vorgehensollte. Dorians rasselnde Atemzüge drangen schwach zu ihm herüber. Es würde eine ganze Weile dauern, bis er sich erholte. Cedric hatte wichtige Teile seines Gehirns massiv geschädigt, so dass Dorian für etliche Stunden, vielleicht sogar Tage, unter Gedächtnisschwund leiden würde – sowohl, was die gerade vergangenen Ereignisse betraf, als auch Geschehnisse in der unmittelbaren Zukunft. Früher oder später allerdings würde er sich wohl erholen.
Cedric warf die leeren Konserven in den Abfalleimer. So wie die Dinge lagen, gab es vermutlich nur eine vernünftige Lösung: Er würde Dorian der Polizei übergeben. Was Dorian getan hatte, war immerhin ein schwerer Verstoß – zum einen gegen die Hausordnung von White Chapel und zum anderen ein, wie es im Strafrecht hieß, »bösartiger Missbrauch seiner Fähigkeiten zum Schaden von anderen«. Da würde das, was Cedric getan hatte, wohl als Notwehr durchgehen. Und dann blieb nur zu hoffen, dass man Dorian tief genug wegsperrte, dass er nicht allzu schnell einen Weg herausfand.
Cedric seufzte leise. Eigentlich hätte er in seinem Zustand nichts anderes tun dürfen, als sich hinzulegen und zu regenerieren. Aber wenn man ihn auf der Wache befragte, war sein Anliegen ganz sicher überzeugender, wenn er in einem möglichst bejammernswerten Zustand war.
Cedric schüttelte über sich selbst den Kopf. Es war unglaublich. Er fing schon an zu denken wie Kris.
Er ging zu der Kammer hinüber, in der sein eigener Sarg stand. Dort bewahrte er auch die Liege auf, die er seinerzeit für die verhängnisvolle Therapie mit Katherine benutzt hatte – und die Stahlfesseln, die so stabil waren, dass nicht einmal eine sehr alte Progressive sie zerreißen konnte. Cedric lächelte schmal, als er danach griff und, die Seile in der Hand, in den Wohnraum zurückkehrte. Genau das Richtige für Dorian. Erhatte in seinem Leben schon vielen Vampiren Fesseln angelegt. Aber noch nie hatte er so eine grimmige Befriedigung verspürt wie in dem Augenblick, als er die Schlingen mit höchster Präzision um Dorians Brust, Taille, Oberschenkel, Knie und Fußgelenke zuzog. Nicht so fest, dass er sich an den Stahlseilen schneiden würde. Katherines Blut klebte noch an den Fesseln. Aber fest genug, dass Dorian sich keinesfalls würde befreien können, falls er früher als erwartet aufwachte. Er würde das progressive Blut schon riechen.
Cedric hob den schlaffen Körper hoch und trug ihn in die Kammer zu seinem Sarg. Sollte Dorian schlafen. Er hatte erst einmal seine Ruhe. Cedric verschloss den Deckel mit drei schweren Vorhängeschlössern. Zur Sicherheit.
Dann lud er sich die Kiste auf den Rücken und trug sie zum Fahrstuhl. Das Loch in der Fensterfront im Wohnraum starrte ihn an wie ein großes, lidloses Auge. Er musste einen Glaser anrufen, der sich darum kümmerte, dachte Cedric. Ehe die Nachbarn aus den angrenzenden Büros kamen und ihn deswegen belästigten. Aber nicht jetzt. Nicht, ehe er Dorian nicht versorgt wusste.
Mit leisem Klingeln schloss sich die Fahrstuhltür hinter ihm.
Kapitel Acht
Callahan Castle, Kinlochliath, Schottland
Es war das Abendlicht, das Kris weckte. Schwefelgelb und blutrot ließ es die Schatten in den Ecken der Kammer der alten Burg noch düsterer scheinen.
Neben ihm auf dem provisorischen Bett saß Red und beobachtete ihn mit aufmerksamem Blick. Er hatte sich gewaschen, rasiert und die Kleidung gewechselt. Im Dämmerlicht sah sein Gesicht nun wieder glatt aus, jugendlicher als noch Stunden zuvor. Aber das konnte nicht über den melancholischen Ernst in seinen Augen hinwegtäuschen. Kris hatte diesen Ausdruck in den letzten Wochen immer öfter die unerfahrene Entschlossenheit überschatten sehen, die den Jungen auszeichnete, seit Kris ihn kannte. Red wurde erwachsen. Es war erschreckend und faszinierend zugleich.
Kris lächelte und setzte sich auf. »Man könnte dich für einen Vampir halten mit diesem wehmütigen Blick.«
Wie erwartet, erschien augenblicklich ein betroffener Ausdruck auf Reds Gesicht. »Das meinst du doch wohl nicht ernst!«
Kris lachte leise und strich sich die vom Schlaf
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