Unberuehrbar
spüren außer Schmerz, Furcht und wieder Schmerz, der sie bei lebendigem Leib verbrannte. Sie schrie und krümmte sich, versuchte verzweifelt, sich klein zumachen, aus ihrem eigenen Körper zu fliehen, um den unerträglichen Qualen irgendwie zu entkommen – da war es plötzlich, als würde ein dickes Tuch über sie fallen. Sanft und weich hüllte es sie ein, linderte die Pein wie liebevoll streichelnde Finger.
Lass mich nicht los,
flüsterte eine samtige Stimme.
Dir geschieht nichts. Denk daran, was ich versprochen habe.
Und nun spürte Elizabeth auch wieder Kris’ Hand in ihrer, spürte seinen Arm, den er schützend um sie gelegt hatte, um sie vor seinem Zorn zu schützen, der die Menschen, die seinen Freund getötet hatten, unter sich begrub.
Bebend klammerte Elizabeth sich an ihn. »Töte sie nicht!«, wisperte sie und spürte, wie ihre Stimme brach. »Bitte!«
Doch entweder hörte Kris sie nicht, oder er wollte sie nicht hören. Als wäre sie nicht schwerer als eine Feder, hob er sie in die Höhe. Sein Griff war ebenso sanft wie seine Stimme, zärtlich fast, und doch hielt er sie so fest, dass sie sich nicht einen Fingerbreit mehr rühren konnte. Langsam wich die Dunkelheit aus ihrem Geist, und der Marktplatz schälte sich aus den Schatten. Sie sah die Menschen, die sich jammernd und wimmernd am Boden krümmten und wanden, unfähig, der Finsternis, die sie verschlang, allein zu entkommen.
Übrig war einzig Colin. Er stand noch immer auf seinem Fass, die Augen weit aufgerissen, und starrte ihnen entgegen. In der Hand hielt er Reds Revolver, den er mit weit ausgestrecktem Arm auf Kris’ Brust gerichtet hielt. Der Lauf zitterte. »Bleib zurück! Monster!«
Ein Schuss löste sich. Die Bewegung, mit der Kris ihm auswich, war leicht, beinahe spielerisch.
»Mörder.« Seine Stimme war sanft, so gefährlich sanft. Sie traf Colin wie ein Faustschlag in die Magengrube. Stöhnend sackte er in sich zusammen.
Elizabeth krallte ihre Finger in den Stoff von Kris’ Hemd, bis ihre Finger blutige Furchen auf seiner Brust hinterließen. Furchen, die sich noch unter ihrer Berührung sofort wieder schlossen, ehe nur ein Tropfen Blut herausrinnen konnte.
»Ihr verdient alle den Tod.«
Sie konnte Kris’ Lächeln nicht sehen, aber sie konnte es hören. Ein grausames Lächeln voll mörderischen Hasses.
»Nicht!«, stieß sie atemlos hervor. »Bitte, bitte nicht!«
Mit leerem Blick starrte Colin zu Kris empor. »Wo ist Elizabeth? Was hast du ihr angetan, du Bestie?«
Kris machte einen Schritt auf ihn zu, und Colin krümmte sich zusammen. Ein Wimmern kam über seine Lippen, und Elizabeth sah, wie er verzweifelt versuchte, sich aufrecht zu halten. Der Angst nicht nachzugeben.
Er hatte keine Chance.
Kris’ Hand legte sich federleicht auf ihren Kopf. Zärtlich und beruhigend. »Du wirst sie nie wiedersehen«, sagte er. »Weil ich sie töten werde.«
Ein heiserer Schrei brach aus Colins Kehle.
»NEIN!«
Der Laut schnitt Elizabeth tief ins Herz. Sie wand sich verzweifelt, versuchte sich aus Kris’ Griff zu befreien – vergeblich. »Colin!«, versuchte sie zu rufen, doch es kam nur als heiseres Flüstern heraus. »Colin, ich bin doch hier!«
Aber Colin hörte sie nicht, und er sah sie nicht.
»Du wirst alles verlieren«, fuhr Kris fort. »Alles.«
Er wandte sich zu den übrigen Dörflern um, die noch immer zitternd am Boden kauerten, sich gegenseitig umklammerten und doch keinen Halt fanden in dem Grauen, das sie umgab. »Ihr hättet in Frieden leben können. Jetzt geht eure Welt unter.«
Ein Knistern und Knacken, das selbst das Rauschen des Regens durchdrang, erregte Elizabeths Aufmerksamkeit. Der beißende Geruch nach Qualm stieg ihr in die Nase. Vom anderenEnde des Platzes drang ein entsetzter Aufschrei zu ihr herüber.
»Die Schmiede brennt!«
Elizabeth riss den Kopf in die Höhe – und tatsächlich schlugen in diesem Augenblick Flammen aus dem Dach des Gebäudes, leckten an den Steinen und tauchten den Marktplatz, die Menschen und die baumelnde Leiche des Vampirs über ihnen in ihr rotes, zuckendes Licht. Ein Stöhnen und Wimmern ging durch die Menge.
»Euer Dorf wird bis auf den letzten Stein niederbrennen. Ich nehme euch eure Heimat, wie ihr mir meinen Sohn genommen habt.« Kris hob die Stimme kaum, und doch drang sie in jeden Winkel, jedes Ohr der Menschen, die sich noch enger zusammendrängten. Einige begannen, in panische Betriebsamkeit zu verfallen.
»Holt Wasser!«,
schrie jemand – doch was sollte
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