Unberuehrbar
bevor sie auch nur eine Sekunde länger zögern konnte, griff sie entschlossen zu und rammte die Nadel tief in Dorians Hals.
Kapitel Elf
Forschungsstation White Chapel, Kenneth, Missouri
Red! Komm zu mir! Ich brauche deine Hilfe!
Mit aller Kraft wiederholte Kris den lautlosen Ruf. Wieder und wieder. Red näherte sich, er wusste es, er war längst auf dem Weg zu ihm – und mit ihm Blue, die mit der Kraft ihres progressiven Körpers jegliche Hindernisse gewaltsam aus dem Weg räumte.
Jetzt aber übertönte Dorians animalisches Heulen alles – und Kris konnte nur hoffen, dass Red rechtzeitig hier sein würde. Denn allein konnte er nicht beides schaffen: Dorian endgültig außer Gefecht setzen und das Menschenmädchen retten.
Dorian hatte Elizabeth losgelassen, die nun von Krämpfen geschüttelt am Boden lag. Die Spritze, mit der sie ihr eigenes Blut in Dorians Körper gejagt hatte, steckte noch immer im Hals des Vampirs, der die Hände gegen seine Kehle gepresst hatte und vor Schmerzen brüllte. Säuerlicher Gestank schwängerte die Luft, als eitrige Nekrosen an seinem Hals und auf seinem Gesicht aufbrachen. Nekrosen, die sein Körper umgehend heilte. Dorian war nicht Chase. Er war uralt und auf der Höhe seiner Kraft. Er würde an so einer kleinen Dosis nicht sterben.
Kris fühlte sich noch immer wie betäubt von dem mentalen Schlag, den Dorian ihm Minuten zuvor so beiläufig versetzt hatte. Seine Finger zitterten unkontrolliert, als er nach zwei weiteren Spritzen griff, um sie mit den übrigen Blutproben zu füllen, die er von Elizabeth genommen hatte. Kris schloss dieAugen und atmete mehrmals tief ein und wieder aus, um sich zu konzentrieren.
In diesem Moment traf ihn ein gewisperter Befehl.
»Gib mir dein Blut!«
Dorians Stimme war brüchig. Kraftlos. Und doch hatte sie kaum etwas von ihrer Macht eingebüßt. Kris fuhr herum und sah Dorian auf sich zustolpern. Sein Gesicht war verzerrt und sein Shirt fleckig von Blut und Eiter, die noch immer aus den Wunden auf seinen zuvor so makellosen Wangen troffen.
Eines der Probenröhrchen fiel zu Boden und zerbrach. Kris fluchte und schloss die Hand fest um die letzte Spritze, die ihm geblieben war.
RED!,
drängte er lautlos – und nun endlich, endlich hörte er draußen, jenseits der Luftschleuse Türen krachen. Schritte. Und aufgeregte Stimmen.
Dorian machte einen weiteren Schritt auf ihn zu. »Dein Blut!«, flüsterte er eindringlich. Seine Stimme zitterte in der vergifteten Luft. Unter dem eindringlichen Timbre stellten sich Kris’ Nackenhaare kribbelnd auf. Die Worte, so schwach sie auch waren, drangen tief in ihn ein, dorthin, wo bisher nur Céleste ihn hatte berühren können. Zumindest hatte er das geglaubt.
Dorian lächelte, nicht mehr als eine verzerrte Grimasse. Und doch verfehlte es seine Wirkung nicht.
»Gib es mir!«
Kris spürte seinen Widerstand bröckeln und zerfallen, ohne dass er auch nur das Geringste dagegen hätte unternehmen können. Vor Dorian, begriff er, war er kaum mehr als ein Mensch.
Langsam öffnete er die um die Spritze geschlossene Hand und ging auf die Knie, um Dorian seinen Hals darzubieten.
Einmal eine Hure – immer eine Hure.
Zitternde Finger, blutverschmiert, griffen nach seinen Schultern. »Braver Junge«, wisperte Dorian und beugte sich über ihn – da zerbarst das Milchglas der Schleusentür mit ohrenbetäubendem Klirren.
Dorian richtete sich mit einem Ruck auf und fuhr zischend herum.
Zu spät,
dachte Kris.
Drei Schüsse krachten.
Hals.
Augen.
Herz.
Er musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass Red jedes Mal getroffen hatte.
Blut spritzte in Kris’ Gesicht und durchtränkte seinen Schutzanzug, als Dorian gegen ihn taumelte und dann endgültig zusammenbrach.
Totenstille fiel über den Raum.
Schwer atmend blieb Red einen Moment hinter der Schwelle stehen, während er langsam den Revolver sinken ließ. Sein Blick kreuzte sich mit dem von Kris – und auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln, als Sorge sich in Erleichterung verwandelte.
Dann aber wanderten seine Augen zu Elizabeth, die ebenfalls sehr still geworden war.
Blass und reglos lag das Mädchen in einem See aus Blut. Nichts davon war ihres. Und doch – sie war nahe daran, so leblos zu sein, dass es keinen großen Unterschied mehr machte.
Ein erstickter Laut kam über Reds Lippen. Den Revolver noch in der Hand, fiel er neben Elizabeth auf die Knie, berührte ihre Wange und sagte immer und immer wieder ihren Namen – aber sie rührte sich
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