Unberuehrbar
im Gegenteil.« Er lachte und legte leicht den Kopf schief. »Dein Blut, mein Freund, ist ein Jungbrunnen. Nun ja – es war zumindest einer.« Der Vampir zuckte leichthin die Schultern. »Inzwischen bist du zu erschreckender Gewöhnlichkeit verkommen. Wirklich bedauerlich.«
Elizabeth hörte, wie Kris’ Atem schnell und flach ging, sie spürte, wie die Dunkelheit sich aufbäumte. Aber Kris’ Finsternis konnte es nicht aufnehmen mit dem gleißenden Licht, das auf der Oberfläche der Schwärze funkelte wie auf einem endlosen Ozean, ehe es sich hineinfraß. Ein unerbittliches Leuchten, das die Dunkelheit von Sekunde zu Sekunde mehr zerfaserte. Und sie schließlich auflöste.
Jegliche Spannung wich aus Kris’ Körper. Er stöhnte schmerzvoll auf und taumelte, als hätte ihm jemand einen Schlag versetzt. Und wäre nicht die Arbeitsplatte hinter ihm gewesen, er wäre wohl gestürzt. »Nein«, flüsterte er noch einmal und starrte mit leeren Augen den fremden Vampir an. Doch der griff nur an ihm vorbei nach dem Notizbuch und blätterte es rasch durch. Leise pfiff er durch die Zähne und hob eine Braue. Dann glitt sein Blick hinüber zu Elizabeth.
»Ach so. So ist das also. Du bist ein kleines Wunderkind.«
Mit einer fließenden Bewegung ging er vor ihr in die Hocke. Sein plötzliches Interesse traf Elizabeth wie ein Faustschlag vor die Brust. Ihr Herz begann wie wild zu schlagen, als wolle es ihre Rippen sprengen.
Der Vampir lächelte. »Da habt ihr ja etwas ganz Reizendes entdeckt.«
Als er seine Hand an ihre Wange legte, entfuhr Elizabeth ein erstickter Schrei, der sich selbst in ihren eigenen Ohren erschreckend deutlich nach einem verzückten Keuchen anhörte. Ihr Körper reagierte auf die Berührung mit einer Intensität, die sie überwältigte – als würde sie bei lebendigem Leib in Stücke gerissen, unter sengenden Schmerzen, die so wundervoll waren, dass sie sich wünschte, sie würden niemals aufhören.
»Hab keine Angst, Liebes.« Der Vampir nahm ihr Gesicht in beide Hände, und die Schmerzen verglommen zu einem süßen Ziehen tief in ihrem Inneren, das prickelte und pochte und Hitze durch ihre Adern trieb. »Mein Name ist Dorian. Ich werde von nun an sehr gut auf dich aufpassen. Niemand wird uns je wieder trennen, einverstanden?«
Und tatsächlich erschien es Elizabeth in diesem Augenblick wie das einzig Wünschenswerte, das es auf dieser Welt geben konnte. Bei diesem Vampir namens Dorian zu sein. Sein Licht zu sehen und zu fühlen und seinen Worten zu lauschen …
»Nicht …« Wie von weit entfernt hörte sie Kris’ Stimme, rau und wund, die versuchte, zu ihr durchzudringen. »Elizabeth, denk an …«
Ein leises Zischen glitt über Dorians Lippen, und plötzlich erschien ihr der Klang von Kris’ Worten ganz unerträglich, wie ein nervenzerfetzendes Schaben, dem sie sich entziehen musste, wenn sie nicht verrückt davon werden wollte. Hektisch presste sie sich die Hände auf die Ohren und begann leise zu summen, ohne wirklich zu hören, welches Lied sie gerade anstimmte.
Dorian lachte nachsichtig. »Du, Kris, solltest jetzt lieber ruhig sein«, erklärte er liebenswürdig, während seine Finger behutsam über Elizabeths Wange streichelten, um sie zu besänftigen. Klares Licht glomm in den Bernsteinaugen.
»Ganz ruhig, mein Herz. Er kann dir nichts tun. Ich bin jabei dir.« Seine Stimme hüllte sie ein, weich und tröstlich wie warmes Wasser, das ihren Körper umspülte. Verschwommen nahm Elizabeth wahr, wie Dorian sich zu Kris umwandte.
»Faszinierend, nicht wahr? Ganz unglaublich geradezu. Was hältst du von einem Experiment?« Mit einer bedächtigen Bewegung strich er sich einige honigfarbene Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Wäre es nicht hochspannend, zu sehen, wie ihr Körper auf Vampirblut reagieren würde?«
Irgendwo unter dem wilden Sturm aus Glücksgefühlen, den er in ihr entfachte, regte sich eine dumpfe Ahnung von Furcht in Elizabeths Brust. Vampirblut? In ihrem Körper? Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen – doch da hatte Dorian sich ihr bereits wieder zugewandt, und das Leuchten seiner Augen wischte jeden Gedanken fort. Selbst Kris’ Antwort, die nur wie ein undeutliches Rauschen zu ihr durchdrang. Es gab nur Dorian und seine Wünsche. Sie würde alles tun, um ihm nah zu sein – nein, nicht nur nah. Sie wollte eins mit ihm sein. Nichts anderes war wichtig.
Als er sie in seine Arme zog, ließ sie es nur zu willig geschehen. Sie spürte, wie seine Wärme berauschend durch
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