Unberuehrbar
Biotechniker, dass man mit Lystropinin den Befall von Bakterien durch einen bestimmten Virus nachweisen konnte. Aber er begriff nicht, warum er diesen Test an progressivem Vampirblut durchführen sollte. Und Cedric würde sich hüten, ihn früher aufzuklären als unbedingt nötig. Auch Pei Lin würde das nicht wagen, das sah er an ihrem Blick. Nicht, solange sie noch halbwegs bei Verstand war. Vielleicht, dachte Cedric, konnte er doch noch genug Beweise für einen offiziellen Bericht sammeln, ehe es so weit kam, dass er Dorian mehr Details offenbaren musste. Es
musste
möglich sein.
Noch einmal atmete er tief durch und wandte sich an seine Assistentin. »Schön, also … würdest du Dorian dann bitte das Labor zeigen und ihn mit Janet bekannt machen?«
Pei Lin nickte. Sie sah noch immer verwirrt aus, aber ohne den Einfluss von Dorians Stimme schien sie bereits jetzt viel eher ansprechbar zu sein. Nur ihr Gesicht wirkte erstaunt, als sei sie verwundert, sich selbst sprechen zu hören, und ihre Worte klangen ein wenig mechanisch. »Gern, Cedric. Bist du denn später noch da, um die Testergebnisse zu besprechen?«
Cedric nickte. Noch nie, dachte er, war ihm die Aussicht auf ein Dienstgespräch allein mit Pei Lin so entspannt vorgekommen. Außerdem konnte er die Gelegenheit nutzen, sie nocheinmal ausdrücklich vor Dorian zu warnen. Pei Lin war erst knapp hundertsiebzig Jahre alt, aber sie war willensstark und diszipliniert. Mit etwas Glück hielt sie lange genug gegen Dorian durch, wenn sie wusste, worauf sie achten musste.
»Ich bin die ganze Nacht hier, also komm vorbei, wenn du so weit bist. Hast du sonst noch ein Anliegen?«
Pei Lin schüttelte den Kopf. »Ansonsten läuft alles wie gewohnt.«
Cedric nickte erleichtert. »Gut. Dann an die Arbeit.«
Pei Lin sprang sofort auf die Füße, als könne sie es kaum erwarten, aus dem Büro herauszukommen. Dorian erhob sich ein wenig langsamer und folgte ihr zur Tür. Doch bevor er den Raum endgültig verlassen konnte, hielt Cedric ihn noch einmal zurück. »Ach, und Dorian.«
Ein wenig zu langsam drehte Dorian sich um. Sein Lächeln aber leuchtete wie gewohnt, als wäre überhaupt nichts vorgefallen. »Ja?«
Cedric spürte, wie sich zwischen seinen Brauen eine steile Falte bildete. Er hatte es ja geahnt. »Ich rate dir, meine Anweisungen in Zukunft ernst zu nehmen. Ich verstehe keinen Spaß, wenn es um meine Regeln in dieser Forschungsstation geht. Das solltest du wissen.«
Für einen Moment blieb Dorians Mund offen stehen. Dann schloss er betont langsam die Lippen und nickte. Sein Gesicht verriet nicht, was er dachte, aber Cedric glaubte zu wissen, dass er die Warnung verstanden hatte. Immerhin. Er lächelte schmal. »Sehr schön. Dann wünsche ich einen erfolgreichen Tag.«
Wieder nickte Dorian. Und ohne ein weiteres Wort verließ er hinter Pei Lin den Raum.
Mit einem tiefen Aufatmen ließ Cedric sich in seinem Stuhl zurückfallen. Ja, nun – es hätte schlimmer laufen können, versuchteer sich selbst zu beruhigen. Sogar viel schlimmer. Aber so richtig glaubte er seinen eigenen Worten nicht. Die Situation eben war knapp gewesen, sehr knapp. Beinahe hätte Dorian ihn gehabt. Cedric wagte kaum, sich auszumalen, was passieren würde, wenn er anfinge, Dorian Versprechungen zu machen, ohne es zu merken. Und wenn selbst er schon so nahezu hilflos war – was war dann mit seinen restlichen Mitarbeitern? Das Redeverbot, so viel war Cedric klar, war bestenfalls eine Übergangslösung. Irgendetwas musste ihm einfallen, und zwar besser früher als später.
Cedric stöhnte lautlos und legte den schmerzenden Kopf auf den Schreibtisch. Er brauchte Hilfe. Er musste Dorian loswerden, irgendwie. Oder die Situation, da war er sich sicher, würde schon sehr bald in einer Katastrophe enden.
»Was sagst du dazu?«, murmelte er und sah aus dem Augenwinkel zu dem Besucherstuhl hinüber, in dem Katherine so oft gesessen hatte.
Katherine lächelte ihn mitfühlend an.
Du solltest ihn zurückholen,
sagte sie sanft.
Kris. Er wäre die Lösung.
Cedric lächelte gequält. »Du mochtest ihn doch nie«, wandte er ein. »Und ich habe keine Ahnung, wo er steckt.«
Eine Weile schwieg Katherine. Aber Cedric spürte ihren aufmerksamen Blick. Als ihre Hand sich behutsam über seine legte, richtete er sich auf, um sie anzusehen.
Der Besucherstuhl war leer.
Genau wie seine Hand.
Nur Katherines Stimme hing noch einen Moment im Raum wie ein schwaches Echo, weit entfernt und unerreichbar.
Wo
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