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Unberuehrbar

Unberuehrbar

Titel: Unberuehrbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Rubus
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schon – bei Red September natürlich.
Ein Lächeln schwang in den Worten mit.
    Also hast du jetzt einen echten Grund, Frei zu helfen.

Kapitel Acht
    46 West Street, Kenneth, Missouri
     
    Später in der Nacht saß Frei im Schneidersitz vor der Fensterfront und sah hinunter auf den Park, der jenseits der breiten Straße am Fuß des Gebäudes lag. Die kahlen Bäume verwandelten sich im Licht der Straßenlaternen, der Autoscheinwerfer und des kühlen Schimmers, der aus den Fenstern über und unter Cedrics Wohnung drang, in bizarre Riesen mit knorrigen Gliedern. Fußgänger eilten geschäftig den Bürgersteig entlang, manche blieben zu zweit oder in kleinen Gruppen stehen, um zu plaudern und zu lachen. Frei hatte die Kerzen gelöscht, so dass sie sehen konnte, was draußen geschah, ohne selbst gesehen zu werden. Die Welt dort unten war so lebendig und voller Bewegung, so groß und fremd – und ein wenig furchteinflößend. Frei fragte sich, ob sie wirklich jemals würde Teil davon sein können. Von dem, was vermutlich ein ganz normales Leben war.
    Vampirleben.
    Frei schloss die Hände um den leeren Blutbeutel in ihrem Schoß. Sie beobachtete die Straße nun seit mehr als drei Stunden, und sie hatte keinen einzigen Menschen gesehen. Warum wohl nicht? Nur Vampire, überall. Aber sie alle mussten einmal Menschen gewesen sein. Das Blut, das sie tranken, war Menschenblut. Wo also waren die Menschen? Sie musste Cedric danach fragen – auch wenn sie eigentlich kein besonderes Bedürfnis danach hatte, ihn schon wieder zu sehen. Die Lähmung hatte nachgelassen, wie er es versprochen hatte. Die leiseschwelende Wut auf ihn war geblieben. Aber es war, wie es war. Cedric blieb vorerst die einzige Person, der Frei Fragen stellen konnte, also musste sie sich irgendwie mit ihm arrangieren. Auch wenn sie sich nicht recht vorstellen konnte, wie. Mit dem Cedric, der Klavier spielte, wäre es vielleicht gegangen. Aber nicht mit dem, der sie demütigte und ihr seinen Willen aufzwang.
    Oder war das ungerecht? Schließlich hatte er sie doch gerettet …
    Frei seufzte leise. Sie wusste gar nicht mehr, was sie denken sollte. Aber wie auch, wenn ihr ständig dieser rasende Hunger dazwischen kam? Sie tastete über die Blutflecken, die Cedrics Mantel bei ihrer letzten wilden Mahlzeit abbekommen hatte, drüben im Zimmer mit dem Sarg, das jetzt vermutlich grauenhaft zugerichtet war – nur fiel das in der Dunkelheit nicht so sehr auf. Dann legte sie ihre Finger gegen die kühle Fensterscheibe, in der Hoffnung, dadurch das Zittern abzustellen, das ihren Körper vibrieren ließ.
    Es half nicht. Natürlich nicht.
    Als sie endlich den Fahrstuhl summen hörte, kündigte ein blasser Schimmer über den Bäumen im Park bereits den Morgen an. Auf der Straße am Fuß des Gebäudes war nun kein einziger Vampir mehr zu sehen. Fasziniert beobachtete Frei, wie die klaren Scheiben der Fensterfront sich mit dem kräftiger werdenden Licht dunkler tönten, so dass die Strahlen niemals stark genug wurden, um sie verletzen zu können.
    Sie saß noch immer so da, als sich die Tür öffnete und Cedric auf leisen Sohlen die Wohnung betrat. Er sagte nichts, und Frei drehte sich nicht um. Sie konnte den Blick einfach nicht von den Farben lösen. Vom satten Grün des Rasens unter den Bäumen, violett und weiß gesprenkelt von den Blüten der ersten Krokusse. Vom Braun der nackten Äste und vor allemnicht vom Rosa, Silber, Gold und Blau des nahenden Sonnenaufgangs. Wie viel schöner musste all das aussehen, wenn man es nicht durch getöntes Glas betrachtete?
    Etwas raschelte hinter ihr, ganz in ihrer Nähe, und dann wurde etwas sacht neben ihr auf den Teppich gestellt. Leise Schritte entfernten sich. Frei hörte helles Klappern und das Klirren von Porzellan – und kurz darauf das Brodeln von Wasser, das zu kochen begann. Der Duft von schwarzem Tee erfüllte die Wohnung. Und schließlich kehrte Cedric zu Frei zurück, um sich neben sie auf den Teppich zu setzen. Wortlos reichte er ihr eine Tasse.
    Frei warf ihm einen kurzen Blick zu. Er sah erschöpft aus, dachte sie. Oder lag es daran, dass die Schatten unter seinen Augen im Morgenlicht besser zu sehen waren als bei Kerzenschein? Frei schien es plötzlich sehr schwierig, die Wut aufrechtzuerhalten, die sie die Nacht über wie einen Klumpen Blei in ihrem Magen mit sich herumgetragen hatte.
    Cedric lächelte matt, als hätte er beim Anblick seines verschwommenen Spiegelbilds in der Fensterscheibe ähnliche Gedanken gehabt.

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