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Unberuehrbar

Unberuehrbar

Titel: Unberuehrbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Rubus
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Kribbeln breitete sich in Reds Brust aus – wie eine Ahnung, von der er nicht wusste, ob sie schrecklich oder wunderbar war. Eine unbestimmte Erregung, unheimlich intensiv und gleichzeitig so flüchtig, dass er sie nicht fassen konnte, wie der Wind, der an ihm vorbeistrich und inden Eichenzweigen raschelte. Und mit einem Mal war er sich wirklich nicht sicher, wer von ihnen beiden nun der Geist war.
    »Hierher?«, hörte er sich fragen, noch ehe er wusste, dass er diese Frage stellen wollte. »Wo … wo ist das denn eigentlich? Hier?«
    Zwischen Elizabeths Brauen erschienen zwei kleine Falten. »Du weißt nicht, wo du bist?«
    Dann aber zeichnete sich plötzlich Begreifen auf ihrem Gesicht. »Du … Bist du etwa auf der Flucht?«
    Red biss sich auf die Unterlippe. Flucht?, dachte er. Ja, allerdings. Aber nicht seine.
    In diesem Moment fiel ein Schatten auf seine Gedanken. Red horchte auf, spürte, wie sich seine Sinne auf die wohlbekannte Dunkelheit ausrichteten. Jetzt endlich konnte er auch das Prickeln in seiner Brust zuordnen – und wunderte sich, dass er es nicht gleich als das erkannt hatte, was es war: eine Berührung durch ein Bewusstsein, das nicht seins war, dessen Körper jedoch noch zu weit entfernt war, um ihn zu erreichen. Nein, es war kein Zweifel möglich. Und es war ja auch so typisch. Von allen Tagen der Welt suchte Kris sich ausgerechnet diesen aus, um wieder aufzutauchen.
    Elizabeth starrte Red noch immer fasziniert an und wartete auf eine Antwort. Aber dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um die Wahrheit zu sagen – so viel war sicher. Schnell schüttelte er den Kopf. »Nein, ich bin nur … auf der Durchreise.«
    Elizabeth stand auf. »Keine Angst«, sagte sie. Ihre Stimme klang nun rau und ein wenig zittrig – aber gleichzeitig auch wild entschlossen. »Hier wird dich niemand finden. Ich nehme dich mit nach Kinlochliath. Es ist nicht weit. Heute Abend sollten wir da sein.«
    Red erstarrte. Er brauchte zwei oder drei Atemzüge, um seine Stimme wiederzufinden. Kinlochliath?
    »Willst du damit sagen, hier in der Nähe gibt es eine Stadt?«
    Eine Menschenstadt?
    Elizabeth lachte kurz auf. Fast klang es, als schämte sie sich. »Wenn du so willst, ja. Ich würde es lieber ein gottverlassenes Nest nennen.« Sie streckte Red erneut die Hand entgegen. »Komm. Ich zeige es dir.«
    Der Schatten in Reds Geist verdichtete sich zu tintendunkler Schwärze. Beinahe fühlte es sich an wie ein leises Lachen. Ein wenig benommen rappelte er sich ebenfalls auf. »Ich weiß nicht … ob das eine gute Idee ist«, wandte er lahm ein – und wusste doch nur zu genau, dass mindestens einer, der diese Unterhaltung verfolgte, die Idee ganz fantastisch finden würde. Langsam schob Red den Revolver in das Halfter an seiner Hüfte. Irgendwo tief in sich spürte er plötzlich ein fast schmerzhaftes Drängen, das ihn trieb, die Hand dieser Frau zu ergreifen. Aber Red ahnte, dass dieser Drang nicht nur aus ihm selbst kam – dass er den Wunsch von jemand anderem spürte, als wäre es seiner. Und er wusste ja sogar, von wem.
    Elizabeth hielt ihm noch immer die Hand entgegen. »Bitte«, sagte sie. »Ich will dir doch helfen, Red September.«
    Innerlich seufzte Red. Andererseits, dachte er dann, warum eigentlich nicht? Es würde ja niemandem schaden, wenn er sich ein wenig in dieser Stadt umsah. Und er würde wieder unter Menschen sein. Red schluckte trocken. Menschen. Es schien ein ganzes Leben her zu sein, seit er zuletzt mit einem gesprochen hatte. Und wenn er ehrlich war, fehlte ihm die Gesellschaft von seinesgleichen. Selbst wenn es Fremde waren und völlig unabhängig von dem, was Kris ihm eingab – er wollte sie sehen.
    Trotzdem schaffte er es nicht, zu lächeln, als er seine Finger um Elizabeths schloss und die Erleichterung auf ihrem Gesicht sah. Und noch während er neben ihr den Hang hinaufstieg, regte sich in ihm bereits das schlechte Gewissen.
    Weil er, indem er ihr folgte, die Dunkelheit in ihre Stadt brachte, ohne dass sie etwas davon ahnte.
    Und weil er, seit langer Zeit zum ersten Mal, die Wärme einer menschlichen Hand in seiner genoss.
    Einer Hand, die nicht Blues war.

Kapitel Zehn
    Asia Park, Kenneth, Missouri
     
    Der nächtliche Asia Park war ein bizarres, düsteres Märchenland voll raschelnder Stimmen und grotesker Schattenrisse, fleckenweise silbern und fahlblau angepinselt vom Mondlicht und der entfernten Straßenbeleuchtung. Frei und Cedric saßen auf einer Bank im Schatten einer ausladenden

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