Unbescholten: Thriller (German Edition)
ich erst nach ein paar Jahren gemerkt. Dann stellte sich heraus, dass er mir untreu war. Ich wollte mich scheiden lassen, und da bekam er die Diagnose. Er bettelte darum, bleiben zu dürfen. Er wusste, dass ich mich um ihn kümmern würde. Sein Zustand verschlechterte sich, und er brauchte unendlich viel Aufmerksamkeit. Darunter hat vor allem Albert gelitten, der das alles nicht verstehen konnte.«
Sie blickte auf und sah Hector an. »Das ist meine Erinnerung an ihn.«
Hector wartete auf eine Fortsetzung, die kam aber nicht. Sophie bog endlich den Gips auf und nahm ihn ab.
»So, Hector, das war’s.« Sie versuchte zu lächeln, als sie merkte, wie unpersönlich das klang. Dann wollte sie aufstehen.
»Warte«, sagte er und legte seine Hand auf ihren Arm.
Sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Vielleicht lag auch etwas Trauriges in seinem Blick.
»Ich möchte dich um Entschuldigung bitten«, sagte er.
»Wofür?« Sie setzte sich wieder.
»Für meine Art und für mein Auftreten.«
Sophie schwieg.
»Ich habe es dir angesehen. Du warst plötzlich unsicher, wer ich bin. Ich glaube, du hattest sogar Angst vor mir. Ich möchte dich dafür wirklich um Verzeihung bitten.« Er fuhr sich mit der Hand durch das Haar. »Seit dem Abend, als das alles passierte und Aron und ich den Wagen verlassen hatten, seitdem habe ich das Gefühl, dass etwas zerbrochen ist, was ich nicht reparieren kann. Vielleicht dein Vertrauen in mich, deine Erwartungen. Ich weiß es nicht … Wahrscheinlich war ich deshalb heute so merkwürdig zu dir. Ich möchte um jeden Preis, dass du mir vertraust. Ich will, dass es zwischen uns wieder so wird, wie es war.«
Sophie schwieg. Und Hector fügte hinzu: »Du brauchst niemals Angst vor mir zu haben.«
Svante Carlgren verließ seine Wohnung für gewöhnlich gegen sieben Uhr morgens. Wenn er nicht gerade auf Reisen war, kam er etwa zwölf Stunden später wieder nach Hause. Er führte ein hektisches Leben, so stellte er es zumindest nach außen dar, mit Reisen, Meetings, großer Verantwortung und zahlreichen Herausforderungen. Doch die Wirklichkeit sah anders aus. Er wunderte sich selbst, dass er sich so selten gestresst fühlte und eigentlich so wenig tat. Er lebte für seine Arbeit, für seine Karriere. Das war einfach, fast zu einfach. Es war nicht seine Aufgabe, etwas voranzutreiben, er musste lediglich auf dem Laufenden darüber sein, was bei Ericsson vor sich ging. Er war auf einem Niveau angelangt, das ihm gefiel und das er sich erhalten wollte, etwas anderes interessierte ihn nicht.
Als er gerade auf sein Grundstück fahren wollte, kam ein Auto aus der entgegengesetzten Richtung und bog hinter ihm in die Auffahrt ein. Carlgren schaute in den Rückspiegel. Er kannte den Wagen nicht; ein einzelner Mann saß am Steuer.
Carlgren parkte, stieg aus und betrachtete mit gerunzelter Stirn den Besucher, der ein paar Meter hinter ihm angehalten hatte. Die Tür ging auf, und ein Mann im Anzug stieg aus. Er war schlank, hatte schwarzes Haar und markante Gesichtszüge, einen Schlips trug er nicht.
»Kann ich Ihnen helfen?«
»Sind Sie Svante Carlgren?«
Carlgren nickte. Aron trat auf ihn zu, zog ein Foto aus der Innentasche seines Jacketts und reichte es ihm. Carlgren sah eine Aufnahme von sich selbst mit weit aufgerissenen Augen.
Schlagartig verließen ihn die Kräfte, er wollte etwas sagen, wollte reagieren, aber er stand wie versteinert, unfähig, irgendetwas zu tun. Vielleicht lag es an dem Gefühl, betrogen worden zu sein, vielleicht auch an einem Gefühl von Ohnmacht oder einfach an dem überwältigenden Gefühl der Demütigung.
Aron hielt ihm ein weiteres Bild hin. Es zeigte Carlgren in knappen Unterhosen, wie er mit einem Silberröhrchen eine Line Kokain von einem Glastisch zog. Carlgren nahm das Bild nicht in die Hand, sah es nur kurz an, drehte sich um und ging auf sein Haus zu. Aron folgte ihm.
Mit dem Rücken zu seinem Gast schenkte Carlgren sich in der Küche ein Glas Wein ein. Aron saß mit übereinandergeschlagenen Beinen auf einem Stuhl, einen Arm auf den Oberschenkel gestützt.
»Es ist relativ einfach«, sagte er. »Wir sind eine Interessengruppe, die vor jedem Quartalsabschluss Informationen darüber haben möchte, wie es um die Firma steht. Und zwar vor dem Börsentag, bevor gehandelt wird. Wir wollen wissen, ob sich die Firma entwickelt oder zurückfällt, wir wollen jede große Neuigkeit, bevor sie veröffentlicht wird. Wir wollen wissen, was Sie hören und sehen und
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