Unbescholten: Thriller (German Edition)
Discounter.«
Jens las die spärlichen Informationen auf dem Bildschirm. »Ich brauche mehr Details. Kannst du herausfinden, woran er zurzeit arbeitet und mit wem – oder für wen?«
»Du musst nur anrufen und fragen«, sagte Harry ironisch.
»Okay. Kannst du noch etwas über eine Frau herausfinden, eine Polizistin namens Gunilla Strandberg?«
Harry machte sich an die Arbeit, seine Finger tanzten über die Tastatur. »Wer ist das?«
»Die Chefin, glaube ich. Sophies Kontakt.«
Harry fand eine Seite, scrollte und las vor: »Gunilla Strandberg, Polizistin seit 1978. Sie scheint die übliche Karriere gemacht zu haben – Streifenpolizistin in Stockholm, Inspektorin in einem Polizeibüro in Karlstad Mitte der Achtzigerjahre, dann war sie wieder in Stockholm und fing beim Reichskriminalamt an, sie wurde Kommissarin. 2002 wurde sie zwei Monate suspendiert, weil man die Ergebnisse einer Ermittlung gegen sie abwarten wollte, danach kehrte sie in ihren Job zurück.«
»Was war das für eine Ermittlung?«
»Keine Ahnung, das hier ist das Personalregister der Polizei, da stehen nur die harten Fakten.«
»Kommst du an irgendeine andere Datenbank, in der es mehr Informationen gibt?«
Harry öffnete ein weiteres Fenster auf dem Bildschirm und suchte erneut nach Gunilla Strandberg. Er fand ein paar Seiten, verkleinerte sie und stellte sie auf dem Bildschirm nebeneinander.
»Sie ist unverheiratet und wohnt auf Lidingö, hat einen Bruder, der Erik heißt. Nichts Interessantes in den Krankendaten. Sie scheint nie krank gewesen zu sein.«
Harry tippte weiter.
»Sie ist Mitglied bei Amnesty und spendet regelmäßig an Human Rights Watch und UNICEF. Möglicherweise ist sie auch Mitglied bei den ›Freunden der Pfingstrosen‹. Ihr Name taucht jedenfalls in einem Mitgliederverzeichnis auf.«
Harry streckte sich.
»Sie ist eine recht wohlhabende Frau, die mit Rechnungen eher schlampig umgeht, hat ein soziales Gewissen, ist selten krank. Und sie mag Pfingstrosen. Das ist alles.«
––––––––
Lars stand nicht unter Schock, er zitterte noch nicht einmal. So war das seit Neuestem, wenn er sein Tramadol in Reichweite hatte. Er empfand gar nichts mehr, selbst als man ihm das kalte Metall der Pistolenmündung gegen den Hinterkopf gedrückt hatte. Nichts.
Er wusste nicht, wie er seinen Zustand bezeichnen sollte. Vielleicht verblüfft? Ja, das traf es wohl am besten. Er war verblüfft darüber, dass ein unbekannter bewaffneter Mann zu ihm ins Auto gestiegen war und ihm Handy, Ausweis und Autoschlüssel abgenommen hatte.
Er starrte mit offenem Mund in die Nacht hinaus, dann zupfte er an seiner Unterlippe. Plötzlich spürte er, wie fertig er war. Vor allem wegen der Tabletten, aber auch wegen all der Ereignisse der letzten Zeit. Innerhalb weniger Wochen hatte er alles versaut. Die kleine Chance, die er gehabt hatte, war dahin. Seine Beziehung war im Eimer, sein Gefühlsleben befand sich im totalen Ausnahmezustand, und seine Motorik fing an, ihm üble Streiche zu spielen. Seine Seele war tot und irgendwo in seiner eigenen inneren Hölle vergraben. Nicht einmal seine Gedanken waren mehr seine eigenen. Er spürte sich selbst nicht mehr.
Er musste einfach ganz am Ende anfangen. Also, wer war der Typ gewesen, der zu ihm ins Auto gestiegen war? Jedenfalls keiner aus Hectors Truppe. Vielleicht ein Freund von ihr? Ein Freund, der Sophie helfen wollte? Aber warum sollte er das tun? Und wie viel wusste er? In diesem Moment tauchte in seinem zugedröhnten Kopf ein Gefühl von Sinn und Zusammenhang auf: Sein Handy war weg, sein Portemonnaie, das Magazin seiner Pistole, die Autoschlüssel, alles weg, genau wie seine Persönlichkeit und seine Seele und sein früheres Leben.
Vielleicht war das ein Zeichen? Ein Zeichen für Veränderung? Das ihm bedeutete, dass er jetzt von vorn anfangen und herausfinden musste, was hier wirklich geschah, dass er sich entscheiden musste, auf welcher Seite er stand?
Und in dem Moment ging ihm auf, dass er ganz frei war, dass er selbst entscheiden konnte, in welche Richtung es weitergehen sollte.
Er langte hinter sich in den Fußraum und hob seine Dienstwaffe auf. Dann sprang er aus dem Auto, ging nach hinten und öffnete die Heckklappe. Er schloss die Klettverschlüsse der kleinen Tasche seiner Abhörausrüstung, hob sie aus dem Auto und ging ein kleines Stück. In einem Garten stellte er sie hinter einer Birke ab. Dann setzte er sich hin und zog die Schnürsenkel aus seinen Turnschuhen, band sie
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