Unbescholten: Thriller (German Edition)
zu einer langen Schnur zusammen, stand auf und ging wieder zum Saab zurück. Er öffnete den Tankdeckel, tauchte die Schnur hinein, so tief es ging, zog sie wieder heraus und roch daran. Benzin – was für ein phantastischer Geruch.
Er steckte das andere Ende in den Tank, und die Schnur hing ein paar Zentimeter aus dem Tank heraus. Er schaute zu den Bäumen hinüber und versuchte zu schätzen, wie viel Zeit ihm für die Flucht bleiben würde. Drei, vier Sekunden.
Er fand ein Feuerzeug im Handschuhfach und zündete das benzingetränkte Ende der Schnur an. Sie brannte schnell ab, schneller, als er gedacht hatte. Lars rannte mit großen Schritten und Panik im Hinterkopf auf die Birke zu.
Die Explosion war dumpf, als hätte jemand einen schweren Teppich auf die Umgebung fallen lassen. Die Druckwelle fühlte sich in seinem Rücken an wie ein heißer Fallwind. Lars warf sich über seine Abhörausrüstung und rollte noch ein Stück weit. Für ein paar Sekunden war eine hohe, sehr gerade Feuersäule zu sehen, deren Spitze sich pilzförmig ausdehnte. Dann verging sie im Halbdunkel der Nacht. Der Saab stand jetzt in hellen Flammen. Es knisterte und fauchte. Die Heckscheibe war geborsten, die Kofferraumklappe hatte sich an einer Seite gelöst. Das Plastik begann zu schmelzen, die Scheiben zersprangen, und der linke Hinterreifen spuckte brennende Gummifetzen. Mit großen Augen bestaunte Lars das Feuerwerk.
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Sophie hatte schlecht geträumt und war mit einem Ruck aus dem Schlaf hochgefahren. Sie stand auf und traf vor ihrem Schlafzimmer auf Albert.
»Was war das?«, fragte er.
»Keine Ahnung.«
Als sie aus dem Fenster sahen, blickten sie in einen hellen Schein über den Bäumen, ein grelles gelbes Licht.
Sie liefen vors Haus. Eine größere Gruppe Menschen stand da und starrte in die Flammen. Sophie sah, dass ein Auto brannte, ein alter Saab. Sie hörte das Fauchen und Knacken von Plastik, Gummi und Metall und von ferne die Sirenen der Feuerwehr.
Er stand genau hinter ihr. Lars war nach der Explosion aufgestanden und wollte sich gerade davonmachen, als ihm einfiel, dass sie vielleicht herkommen würde, um zu sehen, was passiert war. Also hatte er die Tasche unter einen Busch geschoben, sich das Haar zerwühlt und war zum Wagen zurückgegangen.
Jetzt war auch er ein Hausbesitzer, der von einer Explosion geweckt worden und nach draußen gegangen war, um nach dem Rechten zu sehen. Er stand genau hinter ihr und starrte auf ihren Nacken. Sie hatte das Haar zurückgebunden, ihr Nacken war entblößt. Er wollte die Hand ausstrecken und ihn streicheln, den Finger in die kleine Wölbung unter dem Hinterkopf legen.
»Sophie?«
Eine Frau im Morgenrock kam auf sie zu.
»Das ist doch Wahnsinn! Was ist passiert?«
»Hallo, Cissi, ich weiß es auch nicht, ich bin von der Explosion aufgewacht.«
»Ich auch …«
Lars hatte sie so lange über seine Kopfhörer belauscht und sie durch sein Teleobjektiv beobachtet, er war ihr nahe gewesen, wenn sie schlief, aber nie hatte er sie so gesehen, so normal und wach. Sophie. Er musste lächeln.
Cissi zog eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche ihres Morgenmantels.
»Möchtest du?«
»Danke.«
Sie zündeten sich ihre Zigaretten an und schauten auf das brennende Auto. Dann riss sich Cissi von dem Anblick los, nahm einen Zug, drehte sich um – und blickte in Lars’ seltsames Lächeln. Sie musterte ihn von oben bis unten.
»Was gibt es denn da zu grinsen?«
Sophie drehte sich ebenfalls um. Für einen kurzen Moment sahen sie einander in die Augen. Dann blickte Lars zu Boden, wandte sich ab und verschwand in der Menge.
»Was war das denn für ein Irrer?«, fragte Cissi.
Sophie wusste es … Sie wusste, wer er war. Und er machte ihr Angst mit seinem bleichen Gesicht, seinem suchenden Blick und den leeren Augen.
»Keine Ahnung«, sagte sie und suchte ihn in der Menge. Doch Lars Vinge war verschwunden.
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Die Wand. Dieser Wirrwarr aus Bildern, Namen, Linien und Anmerkungen. Lars wartete, bis sein Atem sich ein wenig beruhigt hatte, dann konzentrierte er sich auf die Bilder von Sophie. Er trat zurück und sah plötzlich einen Zusammenhang, er wollte danach greifen, verlor ihn jedoch gleich wieder.
Er schrieb an die Wand: »Ein Mann, 35–40, Schwede, bewaffnet, ruhig.« Er zog eine Linie zu Sophie, trat zurück, betrachtete sein Werk und versuchte sich zu erinnern. Hatte er die Stimme des Mannes im Auto wiedererkannt? Sein Blick blieb
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