Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unbeugsam

Unbeugsam

Titel: Unbeugsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Hillenbrand
Vom Netzwerk:
Einigen platzte das Trommelfell. Einer starb an einer Herzattacke. Einem anderen wurde der Arm abgerissen. Wieder andere weinten, beteten, machten vor Angst in die Hose. »Ich hatte nicht nur Angst, ich war zu Tode erschrocken«, schrieb ein Flieger später an seine Eltern. »Ich dachte, das, was ich im Flugzeug empfunden hatte, sei Angst gewesen, aber das stimmt nicht. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich sah, wie nahe man dem Tod kommen kann.« 7 Phil ging es genauso; noch nie, nicht einmal im Kampf über Nauru, hatte ihn eine solche Angst gepackt. 8 Neben ihm kauerte Louie. Als er durch den Palmenhain rannte, bewegte er sich rein instinktiv, aufgeputscht von Adrenalin, und spürte überhaupt nichts. Jetzt, da alles um ihn herum in die Luft flog, war auch er außer sich vor Angst.
    Der Unteroffizier Frank Rosynek hockte in einem Korallengraben; am Leib trug er nichts außer einem Helm, nicht zugeschnürten Schuhen und einer Unterhose. Die Massen, die vom Himmel fielen, so schrieb er später, kamen ihm vor, »wie wenn ein Güterwagen auf einen Schlag ausgeleert wird. Kurz bevor die Bomben aufkamen und explodierten, gaben sie ein Geräusch von sich, als stieße jemand ein Klavier eine lange Rampe hinunter. Riesige Palmen wurden getroffen und flogen um uns herum krachend und splitternd in die Luft; der Boden hob sich, wenn eine Bombe explodierte; und dann war da dieser entsetzliche, grelle Lichtblitz. Durch die Erschütterung schossen Korallenstücke in unser Loch, und wir tasteten danach und schleuderten sie wieder hinaus. In den kurzen Pausen zwischen den Bombenabwürfen kam man sich vor wie in einer Kirche: Aus den Gräben in der Nähe hörte man alle zusammen das Vaterunser beten – wieder und immer wieder. Je näher die Bomben einschlugen, desto lauter wurde das Beten. Ich glaube, ich habe sogar einige Jungs weinen hören. Und niemand traute sich hochzuschauen, weil alle Angst hatten, von oben gesehen zu werden.« 9
    Zwei weitere Soldaten wurden beim dritten Überflug getötet. Und beim |131| vierten Mal knackten die Japaner dann den Jackpot. Zwei Bomben schlugen genau auf den aufgetankten, beladenen B-24-Bombern auf, die am Rollfeld bereitstanden. Die erste verursachte eine riesige Explosion, und die Bestandteile des Bombers verteilten sich über die gesamte Insel. Eine zweite Bombe entzündete sich, und die Flammen lösten Maschinengewehre aus, die in alle Richtungen feuerten; ihre Geschosse zeichneten Rauchbänder in die Luft. Und dann begannen die 200-Kilo-Bomben zu explodieren, mit denen die Flugzeuge bereits beladen waren.
    Irgendwann wurde es still auf dem Atoll. Einige Männer erhoben sich zitternd. Sie gingen über das Trümmerfeld, aber da explodierte unvermittelt noch eine weitere B-24; verschlimmert wurde die Explosion durch 2300 Gallonen Treibstoff, tonnenschweres Bombenmaterial und den .50-Kaliber-Munitionsvorrat. Es habe sich angehört, schrieb ein Kopilot, »als fliege die ganze Insel in die Luft«. 10 Und das war dann auch wirklich das Ende.
     
    Bei Tagesanbruch krochen die Männer nach und nach aus ihren Verstecken. Der Soldat, der ins Meer geflüchtet war, kam zurück an Land; er hatte sich drei Stunden an einen Felsen geklammert, während um ihn herum die Flut anstieg. Als es hell wurde, stellte der Mann, der beim Ausheben einer schützenden Grube seine Generäle verflucht hatte, fest, dass diese Generäle direkt neben ihm am Werk gewesen waren. Louie und Phil krochen unter der Hütte hervor. Phil war völlig unverletzt; Louie hatte lediglich eine Schnittwunde im Arm. Sie schlossen sich dem Zug erschöpfter, sprachloser Soldaten an.
    Funafuti war in Grund und Boden gebombt. Auf dem Kirchendach war eine Bombe niedergegangen und hatte das Gebäude, in dem sich dank Korporal Ladd niemand mehr aufhielt, bis auf die Grundmauern zerstört. Wo Louies und Phils Zelt gestanden hatte, gähnte jetzt ein Krater. Ein anderes Zelt war eingestürzt, eine Bombe steckte mit dem Vorderteil voraus mitten darin. Ein Mann zerrte die Bombe auf einen Lastwagen, fuhr damit zum Strand, machte eine scharfe Kehrtwendung und beförderte sie dadurch in den Ozean. Rosynek inspizierte die Rollbahn und stieß auf sechs japanische Bomben, die in einer Reihe sauber nebeneinander lagen. Es handelte sich um Bomben, die dadurch scharfgemacht wurden, dass sie sich während des Sturzes drehten. Weil sie aber aus zu geringer Höhe abgeworfen wurden, krepierten sie. Auch diese ›Blindgänger‹ entsorgten die Männer im

Weitere Kostenlose Bücher