Uncharted - Das vierte Labyrinth
Versteck vorstellen als ein unterirdisches Labyrinth, in dem die Leute glauben, bereits tot zu sein, sobald sie es betreten. Es ist verrückt, ich weiß, aber es ist auch die einzige Schlussfolgerung, die Sinn ergibt.“
Drake wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Er war sprachlos. In seinem Kopf ging er diese Theorie noch einmal durch, er drehte und wendete die Argumente, betrachtete sie von allen Seiten, und so verrückt es auch klang, er konnte nicht leugnen, dass einige Elemente davon verdächtig nach Wahrheit schmeckten.
Die Bilder an der Wand unterstrichen dieses Gefühl noch.
„Wie hat mein Vater davon erfahren?“, fragte Jada, und ihr Blick bohrte sich in den ihrer Stiefmutter.
Es gelang Olivia, bei der Erwähnung ihres toten Ehemannes eine Trauermiene aufzusetzen, aber Drake bezweifelte, dass sie zu echter Trauer fähig war. Ihre wahre Natur hatte sie wahrscheinlich noch keinem von ihnen hier gezeigt.
„Er hat die historischen Hintergründe der Mythen untersucht, die mit den Labyrinthen verbunden werden, und dabei hat er die Theorie entwickelt, dass König Minos von Kreta und Midas ein und dieselbe Person waren … “
„So weit waren wir auch schon“, unterbrach Drake sie. „Aber die Archäologin bei dem Labyrinth von Sobek glaubte, dass nicht Midas der Alchemist war, sondern Dädalus.“
Olivias Augen wurden ein wenig schmaler, und sie schmunzelte. „Sie sind ja ein schlaues Kerlchen.“
Jada hob die Augenbrauen. „Alchemie gibt es nicht.“
Henriksen lehnte sich an die Wand und verzog das Gesicht, als seine Wunde sich wieder bemerkbar machte. „Woher kam dann all das Gold?“
„Es wurde jedenfalls nicht herbeigezaubert“, sagte Jada. „Diese ganze Pseudo-Wissenschaft ist Schwachsinn. Man kann Gold nicht herstellen.“
„Vielleicht ja doch“, meinte Olivia. „Auch wenn es zugegebenermaßen sehr unwahrscheinlich ist. Dein Vater glaubte, dass Dädalus eine Art Scharlatan war, aber er wollte keine Möglichkeit ausschließen, weil er keine andere Erklärung hatte. Je mehr er über Dädalus und die Alchemie in Erfahrung brachte, desto offensichtlicher wurden die Schnittpunkte, die sich jeglicher Erklärung entzogen. Beispielsweise gibt es Geschichten über den Alchemisten Ostanes … “
„Der Perser“, brummte Drake. „Sicher, es gibt Ähnlichkeiten, was seinen persönlichen Hintergrund angeht, aber das ist bei St. Germain nicht anders, und es gibt noch mindestens ein halbes Dutzend andere Kerle, deren Namen mir im Moment nicht einfallen. Sie alle waren Alchemisten. Ihr eigentliches Talent lag darin, dass sie die Leute davon überzeugen konnten, sie hätten Fähigkeiten, die sie gar nicht besaßen. Dieser Illusion verdanken sie ihre mysteriöse, mystische Aura. Wenn ich mich nicht irre, behaupteten sie alle, unsterblich zu sein. Und Fulcanelli behauptete sogar, er wäre St. Germain.“
„Was, wenn er St. Germain war ?“, fragte Olivia.
„Ist das Ihr Ernst?“, konterte Drake. „Sie sind ja nicht ganz dicht.“
Henriksen wollte die Wogen glätten, aber er hatte noch nicht einmal richtig den Mund aufgemacht, als über ihnen ein Donnern und Grollen ertönte und dann plötzlich die gesamte Kammer zu beben begann. Ein gezackter Riss zog sich über die Decke. Staub und Steinsplitter regneten auf sie herab. Eine Vase fiel zu Boden und zerbrach.
Olivia schrie auf und presste sich gegen die Wand, während Drake Jada packte und mit ihr zusammen auf den Ausgang zurannte. Nicos Sohn sah sich voller Furcht und Überraschung um, versuchte aber nicht die beiden aufzuhalten, als sie an ihm vorbeihasteten. Unter dem Türbogen blieben sie stehen, unsicher, was sie als Nächstes tun sollten. Das Grollen hielt an, ein knirschendes Dröhnen, das weit entfernt erklang, aber laut genug war, um sie selbst hier, im Herzen des unterirdischen Labyrinths, noch zu erreichen.
Olivia stolperte auf Henriksen zu und schlang Hilfe suchend den Arm um ihn.
„Ist das der Vulkan?“, rief sie und richtete ihren Blick fragend auf Nico.
Der alte Grieche stand reglos da, fast so, als wäre er bereit, sich in das Schicksal zu fügen, das die Götter ihnen beschieden hatten. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte er, den Lärm von oben zu identifizieren.
Das Beben endete ebenso plötzlich, wie es begonnen hatte. Kurz rieselte noch der Staub von der Decke, dann herrschte wieder Stille. Was immer über ihnen geschehen war, es war vorbei.
„Wäre es der Vulkan gewesen, wären wir jetzt tot“, murmelte
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