Uncharted - Das vierte Labyrinth
sich, dass Henriksens Leute Jada nichts antun würden. Wäre das ihre Absicht gewesen, hätten sie es schon längst getan. Also tauchte er unter, aber nur, um einen Moment später schon wieder an die Oberfläche zurückzukehren. Er richtete den Strahl der Taschenlampe auf eine Stelle im linken Teil der Höhle, wo die Felstrümmer auch dann noch aus den Wellen ragten, wenn der Wasserspiegel sich hob, und er atmete erleichtert aus. Vorsichtig arbeitete er sich dorthin vor. Hier könnte er an der Wand entlanggehen. Er würde noch früh genug schwimmen und sich mit dem Gewicht der Stiefel herumplagen müssen.
Den Kopf behielt er die ganze Zeit über Wasser, und er versuchte gleichmäßig zu atmen und seinen Herzschlag zu beruhigen, während er sich durch das Wasser schob. Schließlich fiel der Boden vor ihm ab. Der Wasserstand in der Höhle war zwar gesunken, aber um einen Ausgang zu finden, musste er trotzdem tauchen.
Drake holte tief Luft und trat von der Wand weg. Dann ließ er sich vom Gewicht der Stiefel nach unten ziehen. Er hielt die Taschenlampe nach vorne gerichtet, stieß sich mit den Beinen ab und begann am Boden entlangzuschwimmen – so gut das eben ging, wenn man eine Lampe in der Hand hielt und durch Kleidung, Rucksack und Schuhe behindert wurde. Zudem brannte das Salzwasser in seinen Augen, und er musste mehrmals blinzeln. Vielleicht dauerte es deshalb einen Moment, bis ihm auffiel, wie warm das Wasser hier unten war. Es wurde aus dem Meer hereingedrückt und strömte wieder hinaus. Aber mehrere vulkanische Öffnungen am Grund der Höhle erhitzten es, während es über die Trümmer spülte.
Es bestand also nicht nur die Gefahr, dass er ertrank, sondern auch die, dass er gekocht wurde. Großartig.
Drake stieß sich mit den Beinen von Wänden und Boden ab und leuchtete mit der Taschenlampe nach links und rechts. Höhlenfische nahmen erschrocken Reißaus, als das ungewohnte Licht sie erfasste, und er sah auch silbern schimmernde Aale, die sich im Auf und Ab der Strömung, die auch Drake mit sich zog, dahinschlängelten. Zur Abwechslung schien das Glück jetzt auf seiner Seite zu sein: Die Gezeiten saugten das Wasser aus der Höhle. Er hoffte nur, dass die Flut nicht einsetzte, bevor er die anderen hier herausgeschafft hatte.
Verlang lieber nicht zu viel. Es würde ja schon reichen, wenn du es lebend wieder zu ihnen zurückschaffst.
In seinem Kopf konnte er beinahe Sullys schroffe Stimme hören, die ihn anranzte, er solle sich gefälligst konzentrieren. Sein Zorn loderte wieder auf, und er musste sich zusammenreißen, um ruhig zu bleiben und den Atem weiter anzuhalten.
Vor ihm schien das dunkle Wasser ein wenig heller zu werden, und er gestattete sich ein wenig Hoffnung, nachdem er die Taschenlampe kurz ausgeschaltet und sich davon überzeugt hatte, dass dieses Schimmern echt war. Doch als er darauf zuschwamm, musste er feststellen, dass es sich bei dieser Helligkeit nicht um Tageslicht von oben handelte, sondern um ein rotes Glühen aus den Rissen am Boden unter ihm.
Er tauchte über den beiden vulkanischen Öffnungen hinweg und konnte die Hitze spüren, die von ihnen ausstrahlte. Einmal mehr fragte er sich, wie die Bewohner von Santorini hier überhaupt leben konnten, wo sie doch wussten, dass ihre Häuser am Rand eines aktiven Vulkans errichtet waren.
Seine Lungen begannen zu brennen, aber er schaltete die Taschenlampe wieder an und schwamm beharrlich weiter, auch wenn immer offensichtlicher wurde, dass er wohl keine andere Wahl hatte, als kehrtzumachen. Mit der freien Hand tastete er den Fels über sich ab, in der Hoffnung, irgendwo auf eine Luftblase zu stoßen, doch da war kein Hohlraum zwischen Wasser und Fels.
Drake verfluchte seine Stiefel, die bleiern an seinen Füßen hingen, und wünschte sich, er wäre das Risiko eingegangen, sie auszuziehen. Wegen ihnen war er viel langsamer vorangekommen, und sie schienen von Sekunde zu Sekunde schwerer zu werden. Er fragte sich, ob sie sein Untergang sein würden, im wortwörtlichen Sinne sogar, und er überlegte, ob er es noch zurückschaffen könnte, wenn er jetzt kehrtmachte.
Obwohl es ihm immer schwerer fiel, klar zu denken, versuchte er abzuschätzen, wie weit er gekommen war und wie weit die Höhle mit den eingestürzten Gebetskammern wohl von der Außenwelt entfernt lag. Er wusste, dass es dumm war, über so etwas zu rätseln. Er konnte schließlich nur raten.
Der Druck in seinem Kopf wurde immer stärker, und wieder sah er Licht vor sich.
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