Uncharted - Das vierte Labyrinth
dann werden wir eben noch aufmerksamer sein“, korrigierte sich Sully. „Aber da heute Abend nun doch keiner von uns die Kehle durchgeschnitten bekommen hat, könnten wir jetzt ja vielleicht über etwas Wichtiges reden.“
„Als da wäre?“, fragte Drake.
Sully drückte seine Zigarre in einem leeren Wasserglas aus der Hotelbar aus und ging dann auf direktem Weg zu Drakes Reisetasche. Er wühlte kurz darin herum, dann zog er die Karten und das Tagebuch hervor, alles, was Luka versteckt hatte, damit Jada es in Ägypten fand. Die Karten warf er auf den Tisch, das Tagebuch schlug er auf.
„Bevor ich zum Rauchen auf den Balkon ging, habe ich mir Lukas Aufzeichnungen bei einem Glas Wein genauer angesehen“, sagte er, während er in dem Büchlein blätterte.
„Wir sind das doch schon alles durchgegangen“, meinte Jada.
Sully fand die Seite, die er gesucht hatte. Er strich mit dem Finger über das Papier, damit sie aufgeschlagen blieb. Anschließend nickte er seiner Patentochter zu. „Ich weiß. Aber manchmal ergeben die Dinge erst einen Sinn, wenn man mehr Informationen hat. Sieht man sich die Fakten dann noch mal an, ist es, als hätte man eine neue Brille auf. Man entdeckt Dinge, die einem vorher gar nicht aufgefallen sind.“
„Wie viel Wein hast du wirklich getrunken?“, stichelte Drake.
„Zwei Gläser“, erklärte Sully. „Erst hatte ich mir ein Bier aufgemacht, aber das schmeckte wie Abwasser.“
„Können wir uns vielleicht wieder auf das Tagebuch konzentrieren?“ Jada hatte die Hände in die Hüften gestemmt.
Drake hätte es nicht für möglich gehalten, dass man mit einem violetten Pony streng dreinblicken konnte, aber sie schaffte es.
„Okay, okay“, nickte Sully. „Also, ich habe in dem Bücherschrank im Wohnzimmer ein Buch über Akrotiri gefunden, und da stand einiges über die Ausgrabungsarbeiten, die dort durchgeführt wurden. Ich verstehe jetzt, warum so viele Leute glauben, dass Thera einmal Atlantis war. Atlantis soll doch eine fortschrittliche Zivilisation gewesen sein, richtig? Tja, Akrotiri war dem Rest der Welt zu seiner Zeit meilenweit voraus. Es ist wirklich unglaublich. Sie haben erst einen winzigen Teil der Stadt freigelegt, da ist aber noch mehr – auf der Insel und unter Wasser. Doch was sie bislang bei diesen Ausgrabungen gefunden haben, haut einen schon um: mehrstöckige Häuser, Wohngebiete, Webstühle für die Herstellung von Stoff, der dann exportiert wurde … Sie hatten fließendes Wasser – kaltes und warmes, stellt euch das mal vor. Vor viertausend Jahren, lange vor allen anderen – fließendes, warmes Wasser! Dann brach der Vulkan aus, und Akrotiri wurde zerstört.“
„Das ist ja alles wirklich interessant“, warf Drake ein, „aber … “
„Ja, ja“, brummte Sully mit finsterer Miene. „Ich komme ja schon zur Sache. Der Vulkanausbruch war nicht alles. Im Vorfeld gab es auch viele Erdbeben auf Thera, und auch danach kam die Erde einfach nicht zur Ruhe. Heutzutage sind die Erschütterungen zwar nicht mehr so stark, aber es gibt sie noch gelegentlich. 1956 kam es zum letzten großen Erdbeben, und damals wurde das heutige Dorf Akrotiri, das sich in der Nähe der Ausgrabungsstätte befindet, schwer getroffen. Dieses Dorf liegt am Fuß eines Hügels, unterhalb einer mittelalterlichen Festung. Nun, das Beben von ’56 hat ziemlich viele Häuser zerstört und die Festung in eine einsturzgefährdete Ruine verwandelt. Die Häuser am Fuß des Hügels wurden wiederaufgebaut, aber die Burg war nicht mehr zu retten und ist daher seit über fünfzig Jahren Sperrgebiet.“
Sully lächelte. „Ziemlich faszinierend, hm? Aber wirklich interessant wird es erst, wenn man das hier sieht.“
Er schlug das Tagebuch an der Stelle auf, die er mit seinem Finger markiert hatte. Beide Seiten waren mit Skizzen der Labyrinthe und Notizen vollgekritzelt, und so dauerte es einen Moment, bis Drake die Worte auffielen, die von oben nach unten an den Rand der linken Seite geschrieben standen. „Beben von ’56“ , hatte Luka dort notiert. „Unter dem Goulas?“
„Was zur Hölle ist Goulas ?“, fragte Drake.
„Ich vermute mal, das ist der griechische Name für die Festung, von der du gesprochen hast“, sagte Jada.
Sully grinste. „Schlaues Mädchen.“ Er strahlte und schien fast so stolz auf sie zu sein wie auf sich selbst.
„Wer hätte das gedacht?“, meinte Drake. „Victor Sullivan macht tatsächlich mal seine Hausaufgaben.“
Sully ließ sich aufs Bett fallen,
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