Uncharted - Das vierte Labyrinth
schneller rennen konnten. Das mussten sie, weil sie so vielleicht noch rechtzeitig im Hotel ankommen würden, um Sully zu retten.
Drake sprintete eine schmale Gasse hinunter, die steil an der Klippe entlang führte. Rechts verschwand der Rest der Insel aus ihrem Blickfeld, und unter ihnen tauchten die Wohnhäuser und Hotels und auch ein paar Restaurants auf, die in den Fels gehauen waren. Doch sollten sie jetzt das Gleichgewicht verlieren und den Hang hinunterrollen, würde keines der Gebäude ihren Sturz aufhalten. Kleine Bäume und Büsche wuchsen entlang des Weges, und zwischen ihnen blühten Herbstblumen – ein kleines Wunder, wenn man das extrem trockene Klima auf der Insel bedachte. Drake zerkratzte sich den Arm, als er einen Busch streifte – aber das waren nun einmal die Pflanzen, die auf Santorini wuchsen: die stacheligen, gefährlichen.
Ein Chor lachender Stimmen hallte durch die trockene Luft, während sie eine schmale Treppe hinabeilten, die man aus dem Fels gehauen hatte. An ihrem Ende gelangten sie auf eine weitere schmale Terrasse, wo eine Gruppe deutscher Touristen mittleren Alters ihnen den Weg versperrte. Einige von ihnen fluchten, als Drake und Jada sich mit ausgefahrenen Ellenbogen zwischen ihnen hindurchschoben, und ein Mann versuchte, Jada am Arm zu packen. Aber sie stieß ihm die flache Hand gegen die Brust und schob ihn aus der Bahn. Drake roch Alkohol und realisierte, dass einer der Deutschen gerade Ouzo über seine Kleidung verschüttet hatte.
Das waren die Details, die er in sich aufsog, während er rannte, die Kleinigkeiten, mit denen er sich von weniger angenehmen Gedanken abzulenken versuchte.
„Bestimmt ist mit ihm alles in Ordnung“, keuchte Jada, während sie nebeneinander rannten. „Er hat alle Pistolen.“
Drake hatte an die Waffen gedacht, seit er den dunklen Schatten auf dem Dach erspäht hatte. Er und Jada hatten nicht das Risiko eingehen wollen, mit nicht registrierten Pistolen in der Öffentlichkeit herumzuspazieren, und es hatte auch nicht so ausgesehen, als wäre eine solche Vorsichtsmaßnahme nötig. Wie dumm , dachte er jetzt. Wie leichtsinnig . Sie waren nicht im Urlaub. Allein der Gedanke an einen Spaziergang im Mondschein erschien ihm nun töricht. Sie hätten sich alle drei bis zum Morgen in ihrer Hotelsuite verbarrikadieren und dann der Suche nach dem Labyrinth widmen sollen.
Endlich lag das Hotel vor ihnen. Sie erreichten die siebzehn schmalen Stufen, die an der Klippe entlang nach oben führten. Links von ihnen lag der Eingang und direkt vor ihnen der Pool, der im Schein der Lampen noch immer hellblau schimmerte und augenscheinlich noch beheizt war, denn zwei einsame Seelen standen flirtend im Wasser und bewunderten den Ausblick auf den versunkenen Vulkankrater in der Tiefe, wo das Mondlicht sich auf den Wellen brach.
Drake blickte zum Eingang hinüber, dann versuchte er, die Schatten jenseits des Pools zu durchdringen. Nichts. Er riss die Tür auf und eilte nach drinnen, dann durchquerte er dicht gefolgt von Jada die Lobby, wobei er seine Schritte gerade so weit abbremste, dass er nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zog.
Die Aufzüge ignorierte er, ihr Zimmer lag nur im zweiten Stock. Er rannte die Treppen hinauf, wobei er wieder an Geschwindigkeit zulegte und eine Hand am Geländer hielt. Als er den dritten Treppenabsatz erreichte – wo die Wände gewölbt waren, um den Umrissen der Höhle zu folgen, in die man das Hotel hineingebaut hatte – , war Jada mehrere Meter zurückgefallen, aber er konnte nicht auf sie warten.
Drake sprintete durch den Korridor und wurde erst langsamer, als er sich der Tür ihrer Suite näherte. Rasch zog er die Schlüsselkarte aus seinem Geldbeutel und schob sie in den Schlitz unter der Türklinke, dann hielt er den Atem an. Jada kam von hinten angestürmt und kam gerade in dem Moment schlitternd neben ihm auf dem Teppich zum Stehen, als das Lämpchen grün aufleuchtete. Drake schob die Tür auf, und zum wiederholten Mal wünschte er sich, seine Waffe dabei zu haben.
Sie betraten das Vorzimmer, und Jada schob die Tür wieder lautlos hinter ihnen zu.
Drake ging voran und blickte ins Badezimmer. Der Wasserhahn tropfte, offenbar hatte Sully sich rasiert. Die Bar stand offen, und auf dem kleinen Tisch im Hauptraum entdeckten sie eine offene Flasche Wein. Jada schlich geduckt zu ihrem Zimmer und verschwand in den Schatten. Ein paar Sekunden später tauchte sie wieder in der Tür auf und schüttelte den Kopf. Kein Zeichen
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